Mastschweine
- Grundbedürfnisse
- Zucht
- Haltungsbedingungen
- Krankheiten/Probleme
- Infektionskrankheiten/Antibiotika-Einsatz
- Haltungs- und Zuchtbedingte Krankheiten
- Verhaltensstörungen
- Transport
- Schlachtung
- PROVIEH fordert
In Deutschland werden jährlich etwa 57 Kilogramm Fleisch und Fleischwaren pro Kopf verzehrt, wovon Schweinefleisch über die Häfte ausmacht. Mit rund 55 Millionen geschlachteten Schweinen pro Jahr ist Deutschland einer der größten Schweinefleischproduzenten und Exporteure der Welt. Dennoch haben in den letzten 20 Jahren 81 Prozent der Betriebe mit Schweinehaltung hierzulande aufgegeben. Das hat zur Folge, dass die Anzahl der Schweine pro Betrieb ständig steigt und die Mehrheit der Tiere in Großbetrieben mit über 1.000 Schweinen gehalten werden. Ökologische Schweinehaltung ist in Deutschland mit einem Anteil von knapp einem Prozent die absolute Ausnahme.
Grundbedürfnisse
Schweine sind äußerst intelligente Tiere mit einem ausgeprägtem Erkundungs- und Sozialverhalten. In der Natur leben sie in kleinen Gruppen von bis zu 30 Tieren mit einer genau festgelegten Rangordnung. Ihr natürlicher Lebensraum ist der Wald, wo sie täglich große Strecken zurücklegen. Den größten Teil des Tages sind die Tiere mit der Futtersuche beschäftigt. Zu diesem Zweck wühlen sie mit dem Rüssel und den Vorderbeinen den Boden auf. Als Allesfresser ernähren sie sich sowohl vegetarisch als auch von Insekten und kleinen Säugetieren. Da Schweine sehr reinliche Tiere sind, unterscheiden sie streng zwischen Liege-, Fress-, Aktivitäts- und Kotbereich. Das Suhlen im Schlamm dient sowohl dem Schutz vor Insekten und Parasiten als auch der Abkühlung, da Schweine keine Schweißdrüsen besitzen. Zur Körperpflege gehört außerdem das Scheuern an festen, rauen Gegenständen wie Bäumen und Pfählen. Das Sozialverhalten ist sehr differenziert, sodass bei einer stabilen Rangordnung und ausreichend Platzangebot kaum Kämpfe stattfinden. Die Tiere bevorzugen synchronisierte Verhaltensweisen. Das bedeutet, dass alle Tiere zur gleichen Zeit mit Nahrungssuche, Körperpflege, Spielverhalten oder Ruheverhalten beschäftigt sind. Bei kälteren Temperaturen schlafen Schweine gerne mit Körperkontakt und auch das gegenseitige Berühren der Rüsselscheiben wird häufig zwischen den Mitgliedern einer Rotte durchgeführt.
Zucht
Mastschweine werden seit vielen Jahren auf schnelles Wachstum und einen hohen Magerfleischanteil gezüchtet. Die Tageszunahmen liegen mittlerweile bei rund 850 Gramm, sodass die Schweine mit sechs Monaten bereits ihr Mastendgewicht von 120 Kilogramm erreicht haben. Im Vergleich dazu wachsen Wildschweine sehr langsam, denn sie haben erst nach drei bis vier Jahren ein Gewicht von etwa 100 Kilogramm erreicht. Auch die Futterverwertung der Mastschweine wurde noch gesteigert, wodurch die Schweine trotz steigender Tageszunahmen weniger Futter benötigen als zuvor. Durch diese starken Eingriffe der Zucht in die Physiologie der Schweine sind bei vielen Tieren schwere Kreislauf- und Muskelerkrankungen aufgetreten, die mittlerweile durch Gentests wieder behoben werden konnten. Dennoch sind die großen und schnell wachsenden Tiere in keiner guten körperlichen Kondition. Muskeln, Gelenke und Kreislauf sind meist an ihrer Belastungsgrenze oder jenseits davon.
Haltungsbedingungen
In der konventionellen Intensivtierhaltung stehen die Mastschweine knapp sechs Monate dichtgedrängt auf Spaltenböden ohne Einstreu. Der Trend geht zu immer größeren Mastanlagen und Gruppengrößen. Pro Jahr werden hier zwei bis drei Mastgänge durchgeführt. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gesteht einem 30-50 Kilogramm schweren Schwein eine Fläche von 0,5 Quadratmetern, einem 50-110 Kilogramm schweren Schwein 0,75 Quadratmetern und einem Schwein von mehr als 110 Kilogramm genau einen Quadratmeter zu. Auf dieser Fläche können nicht einmal alle Tiere gleichzeitig ungestört ruhen, von einer artgerechten Bewegung oder der Möglichkeit zu einem intakten Sozialverhalten ganz zu schweigen. Als Beschäftigungsmaterial erhalten Schweine oft nur Metallketten mit daran befestigten Holzstücken, Reifen oder Bällen. Diese Materialien können den Erkundungstrieb der Schweine nicht angemessen stillen. Das Futter der Tiere ist rohfaserarm, jedoch energie- und nährstoffreich und wird meist in flüssiger Form angeboten. Diesen Brei schlingen die Tiere schnell hinunter, sodass eine längere Beschäftigung durch die Futteraufnahme ebenfalls nicht gegeben ist.
Krankheiten/Probleme
Die Haltungsbedingungen der Mastschweine haben physische wie psychische Folgen für die Tiere. Etwa drei Prozent der Schweine sterben während der Mastzeit an einer Krankheit oder Verletzung beziehungsweise müssen wegen dieser notgetötet werden. Das sind jährlich 1,5 Millionen tote Mastschweine, die in den Tierkörperbeseitigungsanlagen landen. Bereits im Ferkelalter sollen die Schweine weitestgehend an die nicht artgerechten Haltungsbedingungen angepasst werden. Zu diesem Zweck werden ihnen die Schwänze kupiert, die Eckzähne abgeschliffen und männliche Ferkel werden außerdem bisher betäubungslos kastriert.
Hier finden Sie weitere Information zum Thema Ferkel.
Infektionskrankheiten/Antibiotika-Einsatz
Die hohe Besatzdichte, unzureichende Hygiene und ein schwaches Immunsystem der Schweine führen zur Verbreitung von Infektionskrankheiten. Um dieses Risiko einzudämmen, wird bei einem erkrankten Tier in der Regel die ganze Gruppe mit Antibiotika behandelt. Diese breite Anwendung von Antibiotika steigert wiederum die Gefahr der Resistenzbildung und trägt mit zu der Problematik von multiresistenten Keimen bei. Seitdem Tierhalter ab einer bestimmten Betriebsgröße ihren Einsatz mit Antibiotika offenlegen müssen, hat sich der Verbrauch in der Schweinemast innerhalb weniger Jahre um 43 Prozent reduziert. Das allein ist ein deutlicher Beweis dafür, wie unverantwortlich bisher mit dem Antibiotika-Einsatz umgegangen wurde.
Haltungs- und Zuchtbedingte Krankheiten
Die starken Ammoniakdämpfe sowie Kohlendioxid und andere Schadgase, die von der Güllegrube unter den Spaltenböden austreten, begünstigen die Entstehung von Atemwegserkrankungen. Schlachttieruntersuchungen belegen einen immensen Anteil an Schweinen mit Lungenentzündungen und Lungenfellentzündungen. Daneben kann Ammoniak auch die Haut schädigen. Das starke Bedürfnis der Tiere ihren Kot- und Liegebereich zu trennen wird gänzlich missachtet. Der gesamte Untergrund in den Mastställen besteht in der Regel aus Beton-Spaltenböden. Diese verursachen schmerzhafte Klauenverletzungen, Gelenkkrankheiten und Liegebeulen. Auch die Zucht auf schnelles Wachstum begünstigt Muskel- und Skelettkrankheiten sowie Gelenkschäden. Die Folge sind Bewegungsstörungen und Lahmheiten.
Verhaltensstörungen
Die permanente Enge und das Umgruppieren von Tieren provozieren häufige Rangordnungskämpfe, bei denen sich die Tiere teils schwer verletzen können. Das Ausüben arttypischer Verhaltensweisen wird in einem solchen Maße verhindert, dass Verhaltensstörungen wie Stangenbeißen, Leerkauen sowie Schwanz- und Ohrenbeißen bis hin zum Kannibalismus an der Tagesordnung sind. Obwohl durch das Kupieren der Ringelschwänze im Ferkelalter das Schwanzbeißen unterbunden werden soll, weist bei Schlachttieruntersuchungen ein Großteil der Tiere Läsionen (Verletzungen) am Schwanz auf. Diese entstehen zum einen infektiös und zum anderen durch das Benagen der anderen Schweine. Ist ein solcher Prozess im Gange, kann es zum Teufelskreis kommen, denn das betroffene Tier empfindet bei einer entzündeten Schwanzspitze das Nagen daran teilweise als angenehm und lässt dies in der Folge weiterhin zu. Die nagenden Tiere wiederum finden Beschäftigung und an einer offenen Wunde auch Geschmack am Blut des anderen Tieres. So kann es zu einer Art Kannibalismus zwischen den Schweinen kommen, der unter natürlichen Bedingungen und besseren Haltungsformen nicht anzutreffen ist.
Transport
Spätestens zum Schlachthof müssen nahezu alle Schweine transportiert werden. Da allerdings die meisten Betriebe hochspezialisiert sind, werden auch schon im Ferkelalter millionenfach Tiere durchs Land und Ausland gefahren, um in einem anderen Betrieb gemästet zu werden. Sowohl das Verladen als auch der Transport bedeuten enormen Stress für die Tiere und eine extreme körperliche Belastung, da sie zuvor in den Ställen sehr wenig Bewegung kennengelernt haben. Die Hochleistungsrassen sind stressanfällig und leiden an Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, weshalb ein Teil der Tiere den Transport nicht überlebt. Hier mangelt es dramatisch einerseits an angemessenen Vorschriften, aber auch an der Umsetzung von bereits bestehendem Recht sowie einer wirksamen Kontrolle dessen.
Deshalb ist Stoppt Lebendtiertransporte eines der großen Kampagnenthemen von PROVIEH.
Schlachtung
Am Schlachthof werden Mastschweine in der Regel für einige Stunden in Wartebuchten gehalten. Diese Wartezeit wird bei Schweinen vorgesehen, weil andernfalls der Transportstress die Fleischqualität negativ beeinflussen könnte. Die Betäubung der Mastschweine findet entweder mittels Elektrobetäubung oder Gasbetäubung statt. Bei der Elektrobetäubung wird das Gehirn mit elektrischer Ladung durchströmt, während die Schweine bei der Gasbetäubung in Kleingruppen mit einem Fahrstuhl in eine Kohlenstoffdioxid-Kammer gefahren werden. Die Betäubung durch Kohlenstoffdioxid darf jedoch nicht länger als geeignetes Verfahren zur Betäubung angesehen werden. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass der betäubende Effekt verzögert oder unzureichend eintritt. Bis zur Bewusstlosigkeit leiden die Tiere an starker Atemnot sowie an Schleimhautreizungen. Durch Videoaufnahmen in den Kammern konnte gezeigt werden, dass die Tiere versuchen zu fliehen und starke Lautäußerungen von sich geben. Dieses Verfahren ist daher nicht vereinbar mit der Vorschrift, dass ein Tier vor dem Töten so zu betäuben ist, dass unverzüglich eine tiefe Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit eintritt. Der endgültige Tod wird erst durch das Entbluten herbeigeführt. Hierzu werden die Blutgefäße im Hals- oder Brustbereich mit einem Hohlmesser angestochen. Jedoch belegen Daten aus der Wissenschaft, dass auch hier dringend Verbesserungsbedarf besteht. Nicht fachgerecht gestochene Gefäße, sowie ungenaue Kontrollen des Erfolgseintritts von Betäubung und Tötung sorgen dafür, dass 1 bis 14 Prozent der Tiere im weiteren Schlachtprozess bei Bewusstsein in die Brühanlage gefahren werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand und nicht zuletzt der stark ökonomisierten Schlachtindustrie geschuldet, die Arbeiter unter schlechtesten Bedingungen anstellt und am Schlachtband einen extremen Zeitdruck aufbaut.
PROVIEH fordert
Der Ringelschwanz bleibt ganz! Kein Schwänzekürzen! Stattdessen müssen Haltung und Zucht so gestaltet sein, dass Verhaltensstörungen wie der Kannibalismus nicht mehr auftreten.
Keine chirurgische Kastration! Die Ebermast oder übergangsweise die Immunokastration bietet eine gute und schmerzfreie Alternative.
Kein Abschleifen der Eckzähne! Haltung und Zucht müssen so gestaltet werden, dass die Kämpfe um die Zitze nicht ausarten.
Einstreu und keine Vollspaltenböden! Die Ställe müssen in Kot-, Liege- und Fressbereich unterteilt werden und mit ausreichendem und angemessenem Beschäftigungsmaterial versehen werden sowie einen Bereich mit Einstreu vorweisen.
Mehr Platz und Auslauf! In einer festen Gruppe mit ausreichend Platz können die Tiere eine Rangordnung etablieren und ihr natürliches Sozialverhalten ausleben. Ställe mit Freilauf oder verschiedenen Klimazonen ermöglichen den Tieren Zugang zu frischer Luft und Tageslicht.
Zucht auf Gesundheit! Die Zucht auf Leistung darf keinerlei Krankheiten in Kauf nehmen und muss umgehend die Zuchtziele anpassen.
Bessere Transportbedingungen, kurze Transportwege und regelmäßige Kontrollen! Der Lebendtiertransport muss strenger reguliert und kontrolliert werden.
Keine Co2-Betäubung! Nur Verfahren, die sicher und unmittelbar einen Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit herbeiführen, dürfen zur Betäubung genutzt werden.
Kontrollen an Schlachthöfen und gut ausgebildetes Personal am Schlachtband! Die Kontrollen an den Schlachthöfen müssen deutlich ausgebaut werden. Die sichere Überprüfung, ob das Tier gut betäubt und anschließend entblutet wurde, hat oberste Priorität.
Hier finden Sie unseren Text über Mastschweine auch noch einmal mit Quellenangaben als pdf-Datei zum Download: