Das Waldschaf
Das Waldschaf, das in abgelegenen Teilen der Alpen auch als Steinschaf bekannt ist, gehört zu den stark gefährdeten Hausschafrassen. Der Name Waldschaf geht auf das Verbreitungsgebiet der wetterunempfindlichen und genügsamen Tiere zurück, die vor allem im Mittelgebirge des Bayerischen Waldes, des Böhmerwaldes sowie des Mühl- und Waldviertels zu finden sind. In Österreich werden sie wegen ihres zotteligen Aussehens auch „Zoderte“ genannt. Charakteristisch sind die kleinen und fast waagerecht vom Kopf abstehenden oder zum Teil leicht hängenden Ohren.
Herkunft und Verbreitung
Das Waldschaf stammt vom mittelalterlichen und mittlerweile ausgestorbenen Zaupelschaf ab und ist damit eine der ältesten Schafrassen Mitteleuropas. Früher war das Zaupelschaf die dominierende Rasse in Böhmen und Mähren, Süddeutschland sowie dem gesamten Alpenraum. Da es jedoch nur wenig Fleischertrag einbrachte und seine Wolle recht grob war, wurde es von deutschen schlichtwolligen ebenso wie von britischen Fleischschafrassen immer weiter in Gebiete mit rauen klimatischen Verhältnissen zurückgedrängt. So entwickelten sich aus dem ursprünglichen Zaupelschaf drei in ihrer Genetik leicht voneinander abweichende Rassen: das Waldschaf in Deutschland und Österreich, das Šumavská-Schaf in Tschechien sowie das Cikta-Schaf in Ungarn. Jedes dieser drei wurde als eigenständige Rasse anerkannt. Damit wurde die Bezeichnung Zaupelschaf zum Überbegriff dieser drei Artverwandten, galt jedoch nicht mehr als eigenständiger Rassenname. Das „Waldlerschaf“ wurde zum ersten Mal 1890 erwähnt. Mit dem Aufkommen industriell hergestellter Textilien ging die Population dieser Rasse jedoch weiter zurück, weil sich die Verarbeitung ihrer Mischwolle immer weniger lohnte. Erst in den 1980er Jahren wurden in Bayern Maßnahmen zum Erhalt dieser unkomplizierten Schafrasse initiiert, sodass sich die Population mittlerweile etwas erholen konnte und Waldschafe heutzutage fast in ganz Österreich zu finden sind. In Deutschland wird es hauptsächlich in seinem Ursprungsgebiet, dem Bayerischen Wald, gehalten.
Fruchtbarer Landschaftspfleger
Der Begriff „Zaupel“ bezeichnete ursprünglich eine läufige Hündin und wurde im Altbayerischen für „lockeres Mädel“ oder auch „liederlich“ verwendet. Das klingt zwar etwas abwertend, so ist es aber nicht gemeint. Denn Waldschafe, als Nachkommen der Zaupelschafe, zeichnen sich vor allem durch ihre hohe Fruchtbarkeit, ihre guten Muttereigenschaften und hervorragende Milchleistung aus, weshalb die Aufzuchtrate bei ihnen, im Vergleich zu anderen Schafrassen, sehr hoch ist. Außerdem haben sie einen asaisonalen Brunstzyklus und bringen ihre Lämmer – meistens ein einzelnes oder auch Zwillinge, es kommen aber auch Drillingsgeburten vor – vermehrt im Winter zur Welt. In der Regel gebären sie dreimal in zwei Jahren.
Weitere Kennzeichen der Waldschafe sind ihr ruhiges Gemüt und ihre hohe Anpassungsfähigkeit ebenso wie ihre robuste Art. Insbesondere die Euter und Klauen sind recht unempfindlich, sodass die Tiere für Krankheiten und Parasiten wenig anfällig sind. Damit haben sie sich perfekt an die rauen klimatischen Verhältnisse der Mittelgebirgsregion angepasst. Ähnlich wie die Gänsehaut beim Menschen können Waldschafe sogar ihre kurzen Haare aufstellen, wodurch ihr Vlies auflockert und damit auch schneller trocknet.
Ebenfalls beim Futter und bei dessen Verwertung sind Waldschafe unkompliziert, da sie absolut grundfuttertauglich sind, nur von Futter mit hoher Eiweißkonzentration wird abgeraten. Waldschafe fressen viele Pflanzen, die von anderen Tieren verschmäht werden, weshalb ihr Weideverhalten eine wichtige ökologische Bedeutung hat. Sie eignen sich somit nicht nur hervorragend für die extensive Landschaftspflege, sondern sie leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Erhalt einer abwechslungsreichen Kulturlandschaft auf Wiesen und an Hanglagen.
Darüber hinaus eignet sich ihre Wolle sehr gut zum Handspinnen, Filzen und Herstellen von robusten Wollwaren. Der jährliche Wollertrag beträgt bei Widdern ungefähr 3,5 Kilogramm und bei Zibben rund 3 Kilogramm.
Steckbrief
Bei den Waldschafen handelt es sich um kleine bis mittelgroße, feingliedrige Landschafe mit einem geraden bis leicht geramstem (gewölbten) Nasenprofil und einem langen, bewollten Schwanz. Ausgewachsene Böcke werden 65 bis 70 Zentimeter groß und 55 bis 80 Kilogramm schwer, die weiblichen Tiere sind etwas kleiner mit 60 bis 65 Zentimetern Körperhöhe und einem Gewicht zwischen 35 und 60 Kilogramm.
Typisch für das Waldschaf ist außerdem die Mischwolle, wie sie bei vielen alten Schafrassen vorkommt. Diese ist meist weiß, es kommen jedoch auch schwarze, graue, braune oder gescheckte Tiere vor. Die weißen Schafe haben an unbewollten Stellen, vor allem am Kopf, oftmals dunkle Pigmentflecken. Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Tiere können behornt oder hornlos sein, der Großteil der männlichen Tiere besitzt jedoch ausladende Widderhörner, bei den weiblichen Tieren sind die Hörner deutlich kleiner.
Thora Panicke