Das Schleswiger Kaltblut
Das Schleswiger Kaltblut ist in Schleswig-Holstein beheimatet und auch heute noch vorwiegend dort zu finden. Als Zugpferd diente es einst in der Land- und Forstwirtschaft oder wurde vor Brauereiwagen, Omnibusse, Straßenbahnen und militärisches Gerät gespannt.
Herkunft
Mit dem steigenden Bedarf an Zugtieren für die Landwirtschaft im Norddeutschland des 19. Jahrhunderts entstand das Schleswiger Kaltblut. Die Rasse ist vor allem aus einer der ältesten Kaltblutrassen, dem Dänischen Jütländer, hervorgegangen, die im Mittelalter als Schlachtross eingesetzt wurde. Die Vorfahren der Jütländer wiederum waren stark geprägt von dem Shire-Horse-Hengst „Oppenheim“, der 1862 aus England importiert wurde. Shire Horses sind mit bis zu zwei Metern Schulterhöhe die größten Pferde der Welt. Der Hengst, der die Zucht der Schleswiger am meisten prägte, war der 1893 geborene „Aldrup Munkedal“. Nach dem ersten Weltkrieg stammten nahezu alle Schleswiger von dem dänischen Pferd ab. Ein Erbmerkmal, die Fuchsfarbe, setzt sich bis heute durch. In den 1940er Jahren hatte die Rasse mit 25.000 Stuten und 450 Hengsten ihre Hochzeit.
Von der Maschine verdrängt
Mit dem steigenden Einsatz von Maschinen verloren die Kaltblutpferde an Bedeutung. Besonders die Ablösung durch den Schlepper führte dazu, dass das Kaltblut seine Berechtigung im Arbeitsalltag verlor. Das Schleswiger Kaltblut traf es besonders hart; viele Tiere endeten im Schlachthof. Seinen Tiefstand hatte es 1976 mit nur noch 35 Stuten und fünf Hengsten und war damit dem Aussterben nahe. Um Inzucht zu vermeiden, importierte der engagierte Züchter Jürgen Isenberg1977 den jütländischen Hengst „Odin“ nach Gut Kamp in Schleswig-Holstein. Isenberg hatte mit der Zucht von Schleswigern begonnen, in Gedenken an die beiden Schleswiger-Walache Max und Racker, die ihn während des zweiten Weltkrieges durch den Russlandfeldzug gebracht hatten. Durch „Odin“ konnte der Niedergang der Schleswiger Kaltblüter verhindert werden.
In den 1990er Jahren etablierte sich dann eine organisierte Zucht, die das Schleswiger Kaltblut vor dem Aussterben bewahren sollte. Gezüchtet wird aktuell vor allem in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Vereinzelte Tiere wurden auch in andere Bundesländer verkauft. Im Herdbuch wurden 2015 wieder164 Stuten und 24 Hengste geführt. Doch auch heute steht das Schleswiger Kaltblut noch auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen der Gesellschaft zur Erhaltung alter Haustierrassen (GEH).
Ein kräftiges Zugtier – früher und heute
Der Einsatz in der Landwirtschaft stellte hohe Bedingungen an das Schleswiger Kaltblut. Gerade die norddeutschen Knicks boten Herausforderungen bei der Arbeit. Neben der Zugkraft benötigten die Pferde ein hohes Maß an Geschicklichkeit und einen guten Charakter. Das Pferd musste sich angespannt zusammen mit zwei oder drei anderen Tieren in schwierigem Gelände bewegen. Da das Schleswiger Kaltblut für Arbeiten eingesetzt wurde, bei denen Mitdenken gefordert war, sollte es lernwillig sein. So musste es beispielsweise einen einspännigen Heckpflug ziehen können, ohne dabei auf die Pflanzenreihen zu treten.
Obwohl in der modernen Landwirtschaft heute kaum noch Pferde im großen Rahmen eingesetzt werden, finden sich sinnvolle Verwendungsgebiete für das Schleswiger Kaltblut. Neben einer Handvoll hauptberuflicher Holzrücker erhält die Holzrücker-Szene auch bei Freizeithaltern wachsenden Zulauf. Heute findet das Schleswiger Kaltblut im Tourismus als Kutschpferd oder als Freizeitpferd Verwendung. Daneben wird sein Potenzial als Holzrückepferd in Baumschulen und der Forstwirtschaft sowie in der Biotoppflege genutzt.
Infobox:
Das Schleswiger Kaltblut gehört zu den mittelgroßen und mittelschweren Kaltblutpferden. Es erreicht ein Stockmaß von 154 – 162 Zentimetern bei einem Gewicht von rund 800 Kilogramm. Der Kopf ist groß und kurz mit langen Ohren, der Hals kräftig. Der Rücken ist kurz, kräftig und muskulös, die Hufe sind groß, flach und hart und weisen einen nicht allzu üppigen Behang auf. Damit eignet es sich bestens für die Zugarbeit auf schweren Marschböden. Das Schleswiger Kaltblut hat einen freundlichen und lebhaften Blick. Vorwiegend kommt die Fuchsfarbe mit hellem Langhaar vor, vereinzelt gibt es auch Rappen, Schimmel und Braune. Typisch ist der seidige Behang.
Schleswiger Kaltblutpferde sind sehr umgängliche, gutmütige Arbeitstiere, die gerne lernen wollen. Bei der Arbeit sind sie ausdauernd, stark und wendig, was sie zusammen mit ihrer hohen Zugleistung für den Einsatz in schwieriger Umgebung besonders nutzbar macht. Ihr Temperament ist lebhaft, eifrig und genügsam. Sie sind gute Futterverwerter und weisen daneben eine gute Fruchtbarkeit und Gesundheit auf.
Svenja Taube