Das Hinterwälder Rind

Das Hinterwälder Rind gilt als besonders rein erhaltener Teil des alten badischen Landviehs. Die bereits in älteren Rassenbeschreibungen verwendete Bezeichnung „Keltenrind“ weist auf die lange Geschichte dieser Rinderrasse hin. Das traditionelle Hinterwälderzuchtgebiet und noch heutige Hauptverbreitungsgebiet umfasst im wesentlichen den Hochschwarzwald südlich des Feldbergs (1.493 m). Infolge des Anpassungsprozesses an die extremen Umweltbedingungen seiner Heimat hat das Hinterwälder Rind hervorragende Konstitutionsmerkmale ausgebildet und verfügt über ein stabiles Fundament, harte Klauen, gute Fruchtbarkeit und ausgeprägte Muttereigenschaften. Dies äußert sich u.a. im vergleichsweise hohen Alter der Kühe (Durchschnittsalter 7,5 Jahre, Anteil von 8,8 Prozent ist über zwölf Jahre alt, Auswertungen Herdbuchpopulation, LKV, 2002). Hervorzuheben ist auch der hohe Anteil der durch Natursprung gezeugten Kälber von mehr als 80 Prozent im Hauptzuchtgebiet.

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Zwei Hinterwälder Kälber

Mit einem durchschnittlichen Gewicht von 420 Kilogramm bei den Kühen und 750 Kilogramm bei den Bullen sind die Hinterwälder die kleinste mitteleuropäische Bergrinderrasse. Unter den extremen Bedingungen des Süd-Schwarzwalds geben die Kühe bei überwiegender Grundfutteraufnahme im Durchschnitt 3400 Kilogramm Milch pro Jahr mit 4 Prozent Fett und 3,4 Prozent Eiweiß; Bullen erreichen unter extensiven Verhältnissen tägliche Zunahmen von knapp 900 Gramm, Absetzer etwas mehr, bei intensiverer Fütterung sogar 1150 Gramm/Tag. Im vergangenen Jahrhundert hatte die Hinterwälder Population in Folge des starken Strukturwandels in der Landwirtschaft und der Entwicklung hin zu hochspezialisierten Milch- oder Mastrassen einen drastischen Rückgang erfahren. Während die Population zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch etwa 30.000 Hinterwälder Tiere umfasste, werden derzeit noch rund 2700 Hinterwälder Kühe in Baden-Württemberg über das MEKA-Programm (Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich) gefördert, von denen noch knapp 80 Prozent im traditionellen Zuchtgebiet gehalten werden. 2018 umfasste die Herdbuchpopulation 2252 Kühe und 89 Bullen. Damit fallen die Hinterwälder Rinder in die Kategorie II (stark gefährdet) der roten Liste der Gemeinschaft zur Erhaltung alter Haustierrassen (GEH).
Im traditionellen Zuchtgebiet wird das Hinterwälder Rind überwiegend in kleinbäuerlichen Familienbetrieben gehalten. Der dortige enge Kontakt zum Menschen bewirkt, dass die Tiere sehr verträglich und umgänglich sind. Die früher täglichen langen Marschwege zu den Allmendweiden (noch heute gibt es ca 11.000 Hektar Gemeinschaftsweiden im Süd-Schwarzwald) und der auch heute praktizierte sommerliche Weidegang machen das Hinterwälder Rind besonders für extensive Haltungssysteme auch auf schwierigem Gelände geeignet.

Aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte stellt das Hinterwälder Rind sicherlich auch ein wichtiges Kulturgut dar. Im Zuge des Trends zu einer verstärkten Vereinheitlichung in vielen Lebensbereichen erscheint es besonders wichtig, der kulturellen Verarmung auch durch die Erhaltung eines vielfältigen Rassespektrums entgegenzuwirken.

Ein Hinterwälder Rind auf einer Wiese
Ein Hinterwälder Rind © Pixabay

In Deutschland stehen 16 einheimische Rinderrassen in der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH). Neben diesen Rinderrassen sind viele weitere landwirtschaftlich genutzte Tiere zu finden, wie zum Beispiel das Bunte Bentheimer Schwein, die Weiße Gehörnte Heidschnucke, das Schleswiger Kaltblut oder das Murnau-Werdenfelser Rind. Um das Überleben dieser Rassen langfristig zu sichern, müssen diese Rassen wieder in das öffentliche Interesse gerückt und ihre positiven Eigenschaften hervorgehoben werden.

Informationen über die Erhaltungsmaßnahmen gefährdeter Nutztierrassen können Sie auch bei der GEH abrufen.
http://www.g-e-h.de.

Diethild Wanke, Universität Kassel, und Antje Feldmann, GEH;