Im Namen der Tiere

Die Verbandsklage für anerkannte Tierschutzverbände – ein wichtiges Mittel für mehr Tierschutz

Deutsche Behörden sind als Teil des Staates zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet. Das bedeutet, dass sie sich beim Treffen von Entscheidungen immer im Rahmen des geltenden Rechts bewegen müssen. Trotzdem kommt es in der Verwaltungspraxis leider regelmäßig vor, dass Behördenentscheidungen Fehler aufweisen. Insbesondere wenn es um die konsequente Anwendung von tierschutzrechtlichen Vorschriften geht. Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass solche Entscheidungen einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können.

Wenn Umwelt- und Tierschutzrechte verletzt werden

Grundsätzlich können behördliche Entscheidungen in Deutschland von den Verwaltungsgerichten überprüft werden. Im Rahmen einer solchen Überprüfung kann das Gericht zum Beispiel eine rechtswidrig erteilte Baugenehmigung oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung vollständig oder teilweise aufheben. Um ein solches Verfahren einleiten zu können, muss der Kläger jedoch klagebefugt sein. Klagebefugt ist nur derjenige, der durch die Behördenentscheidung in eigenen Rechten verletzt ist. Was aber, wenn nicht die Rechte eines einzelnen Menschen, sondern Umwelt- oder Tierrechte verletzt sind? Die Umwelt und die Tiere können naturgemäß nicht selbst vor den Gerichten ihre Rechte einklagen. Deshalb bedarf es einer besonderen rechtlichen Regelung, die es Verbänden erlaubt, Verstöße gegen Umwelt- und Tierschutzvorschriften gerichtlich geltend zu machen.

Für die Bereiche Natur und Umwelt gibt es solche Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und im Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG). Bundesweit können anerkannte Umweltvereinigungen die sogenannte Umweltverbandsklage erheben und so zum Beispiel Genehmigungen für Industrieanlagen, Straßen oder landwirtschaftliche Ställe überprüfen lassen. Große Verbände wie BUND, NABU oder die Deutsche Umwelthilfe nutzen diese Rechtsschutzmöglichkeit häufig – und auch mit Erfolg. Für Verbandsklagen im Bereich Umweltschutz ist in den Jahren 2007 bis 2017 fast jede zweite Verbandsklage ganz oder teilweise erfolgreich gewesen.

Verbandsklagerecht für den Tierschutz bisher nur auf Landesebene

Im Bereich Tierschutz ist die Rechtslage jedoch komplizierter. Es gibt kein bundesweit einheitliches Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Insgesamt acht Bundesländer haben aber eigene Verbandsklagegesetze auf Landesebene eingeführt. In Bremen, Hamburg, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Berlin gibt es aktuell ein solches Verbandsklagerecht. In Nordrhein-Westfalen wurde es 2013 eingeführt – und 2018 wieder abgeschafft. 

Sauen im sogenannten „Ferkelschutzkorb“ – auch diese Praxis musste erst ein Gericht im Namen der Tiere einschränken. (Foto: © Артем По/stock-adobe.com)

In diesen Bundesländern können anerkannte Tierschutzorganisationen gegen bestimmte Genehmigungen klagen, wenn sie der Ansicht sind, dass tierschutzrechtliche Vorschriften verletzt wurden. Gegen welche Genehmigungen geklagt werden kann und welche Klagearten gewählt werden können, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. So könnte eine Tierschutzorganisation in Schleswig-Holstein zum Beispiel gegen die Genehmigung des Baus einer industriellen Tierhalteanlage klagen, wenn der Bauherr die Vorschriften der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nicht einhält. Ein Verbandsklagerecht auf Bundesebene, von dem Tierschutzorganisationen in ganz Deutschland Gebrauch machen könnten, fehlt bisher.

PROVIEH ist in Schleswig-Holstein als einziger Tierschutzverein verbandsklageberechtigt. Seit der Einführung dieser Rechtsschutzmöglichkeit wurde noch keine Klage eingereicht. PROVIEH behält sich jedoch vor, in Zukunft von diesem Recht Gebrauch zu machen und Entscheidungen der Behörden von den Verwaltungsgerichten überprüfen zu lassen. Daraus werden zwar nicht unmittelbar höhere Standards für die Tierhaltung resultieren – allerdings kann so zumindest die Einhaltung der geltenden Standards durchgesetzt werden. Hier besteht erhebliches Potenzial, das Leben von Millionen sogenannter „Nutztiere“ zu verbessern.

Strafanzeigen und Kontrollen

Andere Mittel zur Rechtsdurchsetzung von Tierschutzbelangen sind insbesondere Strafanzeigen oder Kontrollen der zuständigen Veterinärämter. Problematisch ist jedoch, dass die Veterinärämter personell schon jetzt kaum in der Lage sind, ausreichend Kontrollen in tierhaltenden Betrieben durchzuführen. Eine Kontrolle findet in Schleswig-Holstein im Durchschnitt nur alle 37,2 Jahre statt! Entsprechend fehlt es auch bei der Genehmigung von neuen Stallanlagen massiv an Personal. Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz (TierSchG) können zwar grundsätzlich durch jeden erstattet werden, die Auswirkungen sind jedoch gering. Meist werden die Verfahren nach kurzer Zeit und ohne umfangreiche Ermittlungen eingestellt. 

Alternativ dazu ist die Verbandsklage eine erfolgversprechende Rechtsschutzmöglichkeit. Wird eine zulässige Klage erhoben, muss sich das Gericht mit dem Fall befassen. Folglich werden mehr und mehr Gerichte dazu gezwungen, sich mit den tierschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere dem Tierschutzgesetz und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) auseinanderzusetzen. Dadurch kann Rechtsprechung entstehen, an der sich andere Gerichte und später auch die Politik orientieren müssen.

Deshalb ist es sinnvoll, in den Bundesländern, die bereits ein Verbandsklagegesetz eingeführt haben, diese Möglichkeit auch zu nutzen. Längerfristig wäre die Einführung eines Verbandsklagerechts auf Bundesebene lohnend, von dem „Nutztiere“ im ganzen Bundesgebiet profitieren können.

Christin Kies und Patrick Müller

Dieser Artikel ist erschienen im PROVIEH-Magazin 01-2023

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