Steigende Zahl der Verstöße bei Tiertransporten
Eine kleine Anfrage der Grünen in Brandenburg deckt erschreckende Zahlen auf: Je mehr Transporte kontrolliert werden, desto mehr Verstöße werden festgestellt. Besonders auffällig ist, dass sich die Anzahl der Verstöße hinsichtlich der Transportfähigkeit der Tiere in drei Jahren beinahe vervierfacht hat (2013: 53 Verstöße, 2016: 196 Verstöße). Die Anzahl der Verstöße hinsichtlich der Ladedichte hat sich im selben Zeitraum sogar versiebenfacht (2013: 33 Verstöße, 2016: 202 Verstöße). (Landtagsdrucksache 6/8692)
PROVIEH wendet sich an die Politik
Angesichts der wiederkehrenden, dokumentierten und eklatanten Tierschutzverstöße auf Transporten von lebenden Schlacht- und Zuchttieren in Drittländer außerhalb Europas sowie Schlachtpraktiken in den Zielländern hat PROVIEH die Politik wiederholt aufgefordert, tätig zu werden.
So haben wir uns im Herbst 2017 persönlich an Abgeordnete im Bundestag gewandt, um einen sofortigen Stopp der Transporte in Drittstaaten zu fordern. Im Januar 2018 haben Bündnis 90/Die Grünen und die FDP jeweils einen Antrag gestellt, um Tiertransporte in außereuropäische Länder auszusetzen, da hier EU-Recht nicht eingehalten wird. Wir berichteten hier.
Die beiden Anträge wurden in den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft verwiesen. Rechtzeitig vor der Verhandlung in der Ausschusssitzung haben wir mit acht weiteren Tierschutzorganisationen und Tierärzteverbänden einen offenen Brief an alle Abgeordneten des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft geschickt.
Durch den erheblichen Druck wurden die beiden Anträge von Grünen und FDP nicht sofort abgelehnt, wie bei es bei Anträgen aus der Opposition sonst üblich ist. Stattdessen wird es ein klärendes Ausschuss-Fachgespräch geben. Dieses Gespräch findet kommenden Montag, am 25.6. im Bundestag statt. PROVIEH ist vor Ort.
Hintergrundinformationen zum Fachgespräch im Bundestag zu den Lebendtiertransporten in Drittstaaten
Bei Tiertransporten innerhalb der EU gilt die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 zum Schutz von Tieren beim Transport. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23.04.2015 müssen die Bestimmungen der Transportverordnung auch über EU-Grenzen hinaus gelten – bis zum Zielort. Eklatante Tierschutzverstöße insbesondere auf langen Transportstrecken sind jedoch seit Jahren immer wieder Gegenstand von Berichten und Dokumentationen. Auf ihrem Weg leiden die Tiere unter Enge, Hitze, Hunger und Durst. Die Transportzeit verlängert sich häufig durch Abfertigungsprobleme an EU-Außengrenzen. Immer wieder kommt es vor, dass Tiere während des Transportes an den Strapazen sterben.
Aber nicht nur die Transportbedingungen müssen scharf kritisiert werden: Die Schlachtbedingungen in einigen Empfängerstaaten können nur als Tierquälerei bezeichnet werden (Ausstechen der Augen, Durchtrennen von Sehnen an den Extremitäten, nicht-fachgerechte Schlachtung ohne Betäubung).
Dabei nehmen die Lebendtiertransporte in Drittstaaten immer weiter zu: Allein aus Deutschland hat sich die Ausfuhr lebender Rinder in Drittländer von 2013 bis 2016 mehr als verdoppelt.
Sogar Bundesländer fordern Moratorium
In der letzten Agrarministerkonferenz (AMK) sprachen sich die Länder für ein Moratorium der Schlachttierexporte in Drittstatten aus. „Solange kein EU-weites Verbot für den Export von lebenden Tieren zur Schlachtung gültig ist, sprechen sich die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder dafür aus, dass von Deutschland aus Lebendtransporte von Schlachttieren in Drittländer (außer Norwegen und Schweiz) nur durchgeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass diese nach Maßgabe der Rechtsprechung des EUGH tierschutzgerecht möglich sind. Sie bitten das BMEL, in Zusammenarbeit mit den Ländern kurzfristig Vorschläge für ein Moratorium zu erarbeiten, das den zuständigen Veterinärbehörden einen rechtssicheren und einheitlichen Vollzug in diesem Bereich ermöglicht.“Weitere Informationen finden Sie im Protokoll der AMK.
Zuchttierexporte ebenso fragwürdig
Nicht nur der Transport von Tieren, die am Ende ihrer langen Reise unter tierschutzwidrigen Bedingungen geschlachtet werden ist fragwürdig. Auch Zuchttiere werden lange Strecken transportiert – sie verzeichnen sogar den größeren Anteil an Lebendtierexporten. Zuchttiere werden zu dem Zweck importiert, eine eigene Population aufzubauen, um auf lange Sicht nicht mehr auf den Import von Tieren angewiesen zu sein. Der über Jahre hinweg andauernde Erwerb von Zuchttieren aus Europa ist aber zu hinterfragen, denn nicht selten werden Schlachttiere einfach als Zuchttiere deklariert oder aber es fehlt an Fachwissen, zum Aufbau einer Tierpopulation. (Laut USDA-Report ist der Bestand an Milchkühen in der Türkei rückläufig bei gleichzeitig massiv ansteigenden Importen von Zucht-/Milchkühen). Wenn es an Futterbasis, Wissen und Können zum Aufbau einer eigenen Tierpopulation mangelt und die Voraussetzungen für die Zucht von Hochleistungstieren eindeutig nicht gegeben sind, muss Europa den Handel mit lebendem Zuchttieren mit diesen Ländern einstellen.
Vor diesem Hintergrund sollte ein Nachweis über den Herdenaufbau, beispielsweise in Form von Bestandsbüchern und Zuchtprotokollen, die Zuchttiere aus der EU importieren, als Bedingung für den weiteren Transport von Zuchttieren in diese Länder gefordert werden. Dieser Nachweis soll auch verhindern, dass Schlachttiere fälschlicherweise als Zuchttiere deklariert werden.
Jasmin Zöllmer
20.06.2018
Die PROVIEH-Forderungen und weitere Informationen zum Thema Tiertransporte finden Sie hier.