Generationswechsel mit Aufwind für die kuhgebundene Kälberaufzucht auf Gut Wilhelmsdorf

KUH & KALB Hofporträt

Die ehemalige Arbeiterkolonie Gut Wilhelmsdorf liegt südlich des Teutoburger Waldes am Rande der Stadt Bielefeld. Seit 1995 wird auf dem breit aufgestellten Gemischtbetrieb ökologisch gewirtschaftet. Mit ihren 230 Kühen und deren Nachzucht bildet die Milchviehhaltung das Herzstück des Bioland Betriebes. Im Sommer weidet die Herde, die Großteils aus rot- und schwarzbunten Holstein Kühen besteht, auf den umliegenden Weiden. Den Winter verbringen die Tiere im geräumigen Laufstall mit eingestreuten Liegeflächen. Gefüttert werden die Tiere vornehmlich mit Futter aus dem eigenen Anbau. Mit der kuhgebundenen Kälberaufzucht setzen die Wilhelmsdorfer nun auf eine noch artgemäßere Milchviehhaltung. 

2023 ein Jahr des Wandels 

So stand das Jahr 2023 für Tier und Mensch im Zeichen der Veränderung. Im Frühjahr 2023 haben die beiden jungen Frauen Maike Schumacher und Friederike Hegelsmann die Betriebsleitung für die Landwirtschaft und den Hofladen auf Gut Wilhelmsdorf übernommen. Maike, die für die Betreuung der Rinder verantwortlich ist, ist auf Gut Wilhelmsdorf aufgewachsen und hat sich in ihrer Ausbildung und dem Studium intensiv mit der kuhgebundenen Kälberaufzucht beschäftigt. Dabei entstand der Wunsch, auch zu Hause Kuh und Kalb die Möglichkeit zu bieten, ihr natürliches Verhalten auszuleben. 

Als eine der ersten Amtshandlungen als offizielle Betriebsleiterin begann sie die Kälberaufzucht auf ammengebundene Kälberaufzucht umzustellen. Kurzerhand wurde eine Strohhalle als Ammenstall umgebaut und schon bald konnten die ersten Ammen und ihre Kälber einziehen. Erstmal wird nur die weibliche Nachzucht ammengebunden aufgezogen. Dies gibt die Möglichkeit auszuprobieren und so das optimale System zu entwickeln. Denn die Umstellung der Kälberaufzucht ist eine spannende Reise. Es gibt kein Patentrezept für die kuhgebundene Kälberaufzucht. Ob ammen- oder muttergebunden, ganztägig oder nur stundenweise – jeder Betrieb muss für sich herausfinden, welches System zu ihm passt. Während vorher beispielsweise die Trinkmengen der Kälber am Computer abgelesen werden konnten und Aufschluss über den Gesundheitszustand der Kälber lieferten, steht jetzt das Vertrauen in die Führsorge der Kühe und eine intensive Tierbeobachtung im Vordergrund.  

Auch wenn Maike noch mitten in der Entwicklung ihres optimalen Aufzuchtsystems steckt und so manchen Rückschlag einstecken musste, konnte sie schon erst kleine Erfolge beobachten. So funktioniert das Trinken an den Ammen sehr gut und auch das Spielverhalten der Kälber ist ausgeprägter.  

Regionale Verarbeitung – eine Herausforderung 

Zukünftig würde Maike gerne alle Kälber am Betrieb ammengebunden aufziehen. Doch dafür fehlen zurzeit die Schlachtstrukturen. Der Betreiber des handwerklichen Schlachtbetriebs aus dem Nachbarort steht kurz vor der Rente und eine Nachfolge ist nicht in Sicht. So können gerade zusätzlich zur weiblichen Nachzucht nur wenige Tiere zur Mast aufgezogen werden.  

Die regionale Verarbeitung der Milch hingegen ist gesichert. Bereits 1998 wurde die hofeigene Molkerei errichtet. Zweidrittel der erzeugten Milch können so direkt auf dem Gut Wilhelmsdorf zu Milch und Joghurt verarbeitet werden. Die Produkte werden über den eigenen Hofladen, den Lieferservice und den regionalen Lebensmitteleinzelhandel vermarktet. Darüber hinaus werden auch regionale Cafés, Krankenhäuser, Schulen und Kitas beliefert. 

Zukunftsträume 

Für die Zukunft wünscht Maike sich, dass es sich für Landwirt:innen lohnt, Tierwohl und Nachhaltigkeit auf dem eigenen Betrieb umzusetzen. Würde sie die Kälber wie bisher von der Kuh trennen, könnte sie erheblich Kosten sparen. So lastet die dringend notwendige Agrarwende auf den Schultern von Landwirt:innen, die aus Idealismus auf einen erheblichen Teil ihres Einkommens verzichten. Die Unterstützung der Politik lässt hier auf sich warten. So liegt es in der Hand von uns Konsument:innen engagierte Landwirtinnen wie Maike zu unterstützen und mit dem Kauf ihrer Produkte jeden Tag einen kleinen Beitrag zur Agrarwende zu leisten. 

Ann-Kristin Saurma

Betriebsspiegel Gut Wilhelmsdorf 

Adresse: Gut Wilhelmsdorf, Verler Str. 258a, 33689 Bielefeld 

Lage: 330 Hektar, davon 210 Hektar Ackerland und 120 Hektar Grünland  

Mitarbeiterinnen: 10 in der Landwirtschaft und 50 in der Vermarktung 

Vermarktung: Milch- und Fleischprodukte über Vollsortiment-Hofladen, regionaler Lieferservice, regionaler Lebensmitteleinzelhandel, Gastronomie, Cafés, Krankenhäuser, Schulen und Kitas  

Tiere: 230 Kühe überwiegend Rot und schwarzbunte Holstein mit Nachzucht, 70 Völker Honigbienen 

Fotos: © Gut Wilhelmsdorf

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