Rotenbauer – ein Hof mit viel Gefühl

Bereits in der 12. Generation halten Kathrin und Martin Hauser Gelbvieh auf ihrem Hof im mittelfränkischen Kaltenbuch. Nach der Übernahme des Hofes von den Eltern im Jahr 2018 stellte das junge Paar innerhalb kurzer Zeit auf Bio-Haltung um und bewirtschaftet ihren 80 Hektar großen Betrieb seither nach Demeter-Richtlinien. Dabei war ihnen neben der Kreislaufwirtschaft vor allem wichtig, dass ihre Rinder die Hörner behalten dürfen, die sie unter anderem für die Kommunikation mit Artgenossen benötigen.  

Die ökologische Haltung allein ging den beiden Hausers jedoch nicht weit genug. „Wir sind viel herumgefahren und haben uns andere Höfe angeschaut“, erzählt Kathrin Hauser. „Dann haben wir uns überall das herausgepickt, was wir gut fanden.“ – Apropos picken: Nicht nur Rinder leben auf dem Hof der Familie Hauser, sondern auch Hühner und zwei Stallkatzen. 

Der Grundgedanke „Wie lebt die Urkuh?“ bildete den Ausgangspunkt aller Überlegungen von Familie Hauser. Die Antwort: kleine Herden auf riesigen Flächen. Und genau das setzen sie auch um.  

Neben dem großzügigen Außenklimastall, in den ein Laufhof integriert ist, steht den insgesamt 135 Rindern eine Weide direkt vor dem Stall und eine weitere Weide wenige Kilometer entfernt zur freien Verfügung. Zur Betriebsfläche zählen darüber hinaus noch Grün- und Ackerland, wo die Hausers neben Klee und Luzerne auch Futtergetreide, Soja, Mais, Gerste und Hafer anbauen.

Tradition trifft Technologie

Die Rinder auf dem Rotenbauer-Hof entstammen einer alten Nutztierrasse: Gelbvieh – auch „Frankenvieh“ genannt – wurde zwar ursprünglich in der fränkischen Region gezüchtet, verschwand aber mit der Zeit mehr und mehr, da es von profitableren Rassen verdrängt wurde. Dabei ist das ehemalige Dreinutzungsrind ein richtiges Allroundtalent: Ursprünglich als Zugtier gezüchtet, habe es im Vergleich zu anderen Rinderrassen einen höheren intramuskulären Fettanteil, was sich in der Qualität des Fleisches deutlich bemerkbar mache, erklärt Martin Hauser. Gelbvieh sei zudem robust, gebe gute Milch und habe ein sehr gemütliches Wesen. 

Zur Schlachtung kommt eigens der Metzger auf den Hof, sodass es keine Stressoren wie Verladung und Transportwege gibt. Die Tiere bleiben bis zum Zeitpunkt der Schlachtung in ihrer Gruppe – alles soll so normal wie möglich ablaufen. „Wenn ein Tier richtig Stress hätte, dann würde ich das auch abbrechen“, so Kathrin Hauser.

Gelbvieh Rinder im Stall
Gelbvieh des Rotenbrauerhof

Das Ehepaar legt großen Wert auf das Wohlbefinden ihrer Rinder. Als Weichbodentier ist es für ein Rind wichtig, weich zu gehen und zu liegen. Daher sind die großen Strohliegeflächen im Stall ein absolutes Muss für die Hausers. Damit der Mist möglichst oft abtransportiert wird, die Tiere aber gleichzeitig nicht verdrängt werden, haben sich die beiden für eine Schieberanlage entschieden: Automatisch wird der anfallende Mist von der flachen Lauffläche geschoben, während die Tiere auf einem angehobenen Antritt – einer etwa zehn Zentimeter erhöhten Stehfläche in der Länge eines Rindes – ungestört ihren Fressplatz nutzen können und dabei nicht mit den Hinterbeinen in der Gülle stehen. Der Futterplatz ist zusätzlich mit Gummimatten ausgestattet, damit das Rind beim Fressen klauenschonend auf weichem Untergrund steht, ähnlich einer Weide. Über einem der Futterplätze ist ein sogenannter Speed-Fix-Klauenpflegestand angebracht, der auf Knopfdruck über das Rind heruntergelassen werden kann. Dies ist nicht nur platzsparend, sondern vor allem stressfrei, da das Rind freiwillig in den Fressstand geht, wo es dann fixiert wird. Mittels einer Elektrowinde wird der Hinterfuß ohne jede Kraftanstrengung hochgehoben und kann bearbeitet werden. Nach wenigen Minuten ist die Klauenpflege erledigt – ohne Stress für Mensch und Tier. Der Stall der Hausers ist darüber hinaus mit einer weiteren technischen Neuerung versehen: einem automatischen Stroheinstreusystem, welches regelmäßig frisches, gehäckseltes und entstaubtes Stroh von oben nachliefert. An heißen Tagen können die vier Seiten des Stalls, die sogenannten Curtains, geöffnet werden, und ab 20 Grad Außentemperatur sorgt eine Sprinkleranlage zusätzlich für Kühlung.  

”Die Kuh entscheidet selbst“ 

„Bei uns darf sich die Kuh selbst aussuchen, wo sie kalben will, ob draußen auf der Weide oder im Stall in der Abkalbebox.“ Möglich ist dies nur durch den permanenten Weidezugang, den die Tiere fast ganzjährig Tag und Nacht nach Belieben nutzen können. Die individuellen Bedürfnisse der Tiere stehen stets im Vordergrund. „Das Wichtigste ist, dass die Kuh sich wohl fühlt. Dann geht das Kalben am leichtesten“, so Kathrin Hauser.

Kuh und Kalb bleiben zusammen 

Die muttergebundene Kälberaufzucht war und ist den Hausers ein großes Anliegen. Nach drei Tagen trauter Zweisamkeit kommen Kuh und Kalb in die „Mutter-Kind-Gruppe“, wo sie die nächsten vier Wochen mit anderen Kühen und ihren Kälbern zusammen sind. Dort haben die Kälber Spielgefährten und sind somit aktiver. Im „Kindergarten“ lernen sie dann, eine Zeit lang ohne ihre Mutter zu sein, die ihr Kalb aber weiterhin zweimal am Tag auf dem Gang zum Melken besucht. Dabei können die Kälber weiterhin so viel Milch trinken, wie sie wollen. Zusätzlich gibt es im Zaun eine Öffnung, durch welche die Mutterkuh jederzeit ihr Kälbchen ablecken kann. Ab dem dritten Monat werden die Kälber sehr sanft und langsam von der Mutter entwöhnt. 

Einige Jungtiere verbleiben nach dieser Zeit auf dem Hof. Die Ochsen werden später geschlachtet, die Färsen bleiben entweder auf dem Hof als Nachzucht oder werden an andere Züchter in eine Mutterkuhherde verkauft.

Warum muttergebundene Kälberaufzucht?

„Gefühl“ nennt Kathrin Hauser als Begründung, und „der Mamagedanke“: Sie habe sich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden können, dass das Kalb der Mutter entzogen würde, wie es in konventioneller Haltung üblich ist. Ihr Mann ergänzt: „Keinem anderen Säugetier wird nach der Geburt das Kind weggenommen, nicht einmal anderen Nutztieren!“ Ebenso brauche es mehr Platz, mehr Lebensraum für die Tiere, denen beide mit viel Respekt begegnen. „Achtsamkeit gegenüber dem Tier und der Schöpfung“ nennt es Martin Hauser, und seine Frau ergänzt: „Ich bedanke mich bei jeder Schlachtung bei dem Tier, dass wir das Fleisch haben dürfen.“ Schnelles Mästen und reine Profitorientierung passen nicht in ihre Philosophie. Beiden ist es wichtig, das Leben zu achten. Das wünschen sie sich auch von den Verbraucher:innen: „Ich würde mir wünschen, dass die Leute wieder mehr über den Unterschied zwischen Nahrungsmitteln und Lebensmitteln nachdenken“, sagt Martin Hauser. Er unterscheidet dabei zwischen dem, was man als Nahrung im Supermarkt kaufen kann, und dem, wo „noch Leben drinsteckt“ – wie zum Beispiel in dem Rohmilchkäse, den der Familienbetrieb in einer mobilen Käserei herstellen lässt und ab Hof verkauft. Dort gibt es auch Sojaöl und frische Milch ab Tank zu kaufen. 

Das Fleisch vermarkten die Hausers zum einen direkt ab Hof, zum anderen als Mitgesellschafter bei der Regionalinitiative „Altmühltaler Weiderind“, die Lebendtiertransporte verbietet und zudem hohe Produktqualität, Tierwohl und Klimaschutz garantiert. 

„Es macht mehr Spaß zu arbeiten, wenn man sieht, dass es den Kühen gut geht“, meint Martin Hauser, und seine Frau fügt hinzu: “Die Kühe sind so glücklich, wenn sie ihre Kälber haben! Sie lecken sie so oft ab und sie spüren auch, wenn es ihnen nicht gut geht”. Dazu komme mehr Freude am Ackerbau, wenn man keine Gifte mehr spritzen dürfe. Dabei habe er früher immer ein negatives Gefühl gehabt. Gleichzeitig sei die muttergebundene Kälberaufzucht weniger Arbeit, da das Tränken der Kälber wegfalle. „Und das männliche Kalb ist kein Abfallprodukt mehr“, freut sich der Landwirt.

Die Herausforderungen der Umstellung 

Ein Gelbvieh Kalb im Stall
Gelbvieh des Rotenbrauerhof

Früher, vor der Betriebsumstellung, bewirtschaftete Martin Hauser zusammen mit seinem Vater einen Milchkuhbetrieb mit Anbindehaltung.  „Natürlich mussten sich die Kühe aus der Anbindehaltung erst einmal an die Freiheit der Weide gewöhnen“, erinnert sich Martin Hauser. „Das hat schon eine Zeit lang gedauert.“ Ein Vorteil sei in ihrem Fall gewesen, dass die Rinder auch zuvor schon immer frisches Gras bekommen hatten. Das sei schon seinem Vater immer wichtig gewesen. 

„Auch die Umstellung auf muttergebundene Kälberaufzucht ist nicht so einfach“, erklärt Kathrin Hauser, „denn die Kühe halten immer ein bisschen Milch für die Kälber zurück. Das ist wirtschaftlich erst einmal nicht so profitabel.“ Allerdings merke man jetzt nach den ersten Jahren, dass es besser werde: „Die Kühe, die selbst schon bei ihren Müttern aufgezogen wurden, sind deutlich entspannter: Sie geben mehr und leichter Milch und die Trennung von ihren Kälbern ist nicht so schlimm.“ 

Einen „langen Atem“ brauche man auch, was die finanzielle Seite angehe. Langsam rechne sich die Umstellung schon, aber trotzdem müsse die Milch aus muttergebundener Kälberaufzucht einfach deutlich mehr kosten.  

Wünsche für die Zukunft der Landwirtschaft 

„Wir wünschen uns, dass muttergebundene Kälberaufzucht in mehr Betrieben umgesetzt wird, dass es wieder mehr zu den alten Rassen zurückgeht und zum Zweinutzungsrind mit weniger Milchleistung.“ In der Milch sei mehr Leben drin, und auch das männliche Rind habe dann noch einen Sinn, so Hauser. Er ist davon überzeugt, dass Landwirte gern umstellen würden, wenn nur die Nachfrage nach Bio-Produkten und Produkten aus kuhgebundener Kälberaufzucht größer wäre. „Der Bauer allein kann´s nicht ändern, da müssen auch die Verbraucher und die Politik ins Boot.“ Die Gesamtgesellschaft müsse sich verändern und umdenken, so Hauser.  

Von politischer Seite wünscht sich Martin Hauser mehr finanzielle Unterstützung, auch als Anreiz für andere Landwirte zur Umstellung; insbesondere langfristige, höhere Prämien. Es solle Prämien nicht nur auf Fläche und Mutterkuhhaltung geben, sondern zum Beispiel auch für Strohställe und muttergebundene Kälberaufzucht. Zudem könnten eine höhere Agrardiesel-Beihilfe und Entlastung beim Strom eine große Hilfe sein. Außerdem solle es mehr Biokost in öffentlichen Kantinen geben, meint Hauser, und verweist auf den Koalitionsvertrag: „Wenn das Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030 erreicht werden soll, dann muss man langsam etwas tun.“  

Eine andere Wertschätzung tierischer Produkte wünschen sich die Hausers auf Seite der Verbraucher:innen. „Viele, die unseren Hof sehen, glauben, das ist normal.“ Die Aufklärung müsse vorangetrieben werden. Immer wieder kämen Interessenten und Schulklassen auf den Rotenbauer-Hof, um sich zu informieren. Das Feedback sei dabei sehr positiv.  

Zukunftspläne… 

„Wir sind gerade dabei, eine Solaranlage auf dem Dach zu bauen“, erzählt Martin Hauser. Für die Zukunft haben er und seine Frau die Vision von einem Weidetaxi, das die Rinder ohne Stress auf die Außenweide transportieren kann. Überhaupt soll das Weidegebiet noch ausgeweitet werden. Zudem erwägen die Hausers, einen Stier mit in die Herde zu nehmen, da die Besamung durch Natursprung deutlich leichter sei. Viele ihrer innovativen Ideen hätten sie einfach so im Gespür gehabt, erklärt Kathrin Hauser. „Wenn man das Gefühl hat, dass es gut wird, dann wird es auch oft gut.“

Vielen Dank an Kathrin und Martin Hauser! 

Julia Engelhardt 

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