Reisebericht HeuMilchBauern 2022

Vor mehr als drei Jahren entschied sich die Erzeugergemeinschaft „Demeter HeuMilch Bauern“, dass die Kälber zukünftig bei den Kühen Milch trinken sollen. So entstand gemeinsam mit PROVIEH das Label „Zeit zu zweit – für Kuh + Kalb“ – das deutschlandweit erste Siegel für kuhgebundene Kälberaufzucht! Das vierte Jahr in Folge übernimmt PROVIEH nun die Kontrolle und Zertifizierung des Siegels. Ende September waren wir drei Tage lang in Baden-Württemberg und Bayern unterwegs und haben uns insgesamt zehn Betriebe angeschaut.

Ein neues Verfahren

Von Anfang an unterstützt PROVIEH die HeuMilch Bauern dabei, Kuh und Kalb zusammenzulassen. Gemeinsam haben wir die ersten Kriterien für eine kuhgebundene Kälberaufzucht erarbeitet, welche PROVIEH jährlich kontrolliert und zertifiziert. Viele der 37 Mitgliedsbetriebe der Erzeugergemeinschaft sind mit der Zeit wahre Profis für kuhgebundene Kälberaufzucht geworden. Auch wir von PROVIEH wissen gut Bescheid, worauf es bei den Hofbesuchen zu achten gilt. PROVIEH besuchte diesmal zehn Höfe, die bei der letzten Kontrolle Empfehlungen für eine Optimierung der kuhgebundenen Kälberaufzucht bekommen haben sowie alle neuen Mitgliedsbetriebe. Zusätzlich wurden bei allen Mitgliedsbetrieben die Bestandsregister und Abgabebelege kontrolliert. So konnten wir den Verbleib der Kälber auf dem eigenen Betrieb oder kooperierenden Ammenkuhbetrieben überprüfen.

Vielfalt mit Überzeugung

Bei unseren Hofbesuchen haben wir auch dieses Jahr wieder festgestellt: Die kuhgebundene Kälberaufzucht ist bunt! Jeder Hof geht seinen eigenen Weg, um Kuh und Kalb zusammenzulassen. Entscheidend für PROVIEH ist nur, dass die Kriterien der kuhgebundenen Kälberaufzucht eingehalten werden. Bei einer Führung über den Hof haben die Landwirt:innen uns jeweils ihr Aufzuchtsystem erklärt. Die diesjährigen Besuchsbetriebe haben alle Standards erfüllt.

Auf den Höfen haben wir alle schönen Seiten des Kälberlebens beobachten können: ein frischgeborenes Kalb auf der Weide; genüssliches Nuckeln am Euter; Kühe, die ihre Kälber liebevoll abschlecken; fröhlich spielende Kälber und gemeinsames Grasen im Herdenverbund. Mit Freuden wurde uns vom Umgang mit den Tieren berichtet. Denn bei aller Vielfalt eint die Landwirt:innen die Überzeugung von der kuhgebundenen Kälberaufzucht. So haben die Tiere auf den meisten Höfen viel mehr gemeinsame Zeit, als es laut Kriterien vorgeschrieben ist. Besonders freut uns, dass mit zunehmender Erfahrung und Vertrauen in die Tiere ein klarer Trend erkennbar ist: Mehr gemeinsame Zeit für Kuh und Kalb, eine längere Aufzuchtphase und eine zunehmend muttergebundene Kälberaufzucht!

Kuhgebundene Kälberaufzucht sichtbar machen

Für die Arbeit von PROVIEH sind diese Hofbesuche sehr wichtig, denn die Betriebe zeigen, wie eine artgemäßere Tierhaltung in der Praxis funktionieren kann. PROVIEH konnte sich auf den Betrieben nicht nur ein Bild von der Umsetzung der Kriterien machen, sondern im fachlichen Austausch mit den Landwirt:innen herausfinden, wo es weiteren Unterstützungsbedarf gibt. So fehlt es manchen Betrieben noch an Beratung und Austausch, um etwa einen Trennungsschmerz beim Absetzen der Kälber zu verringern oder gesundheitliche Probleme zu beheben. PROVIEHs neu überarbeitete Kampagnenseite „KUH & KALB“ ist daher auch eine wichtige Plattform für Informationen und bietet die Möglichkeit für eine Vernetzung zur kuhgebundenen Kälberaufzucht. Für unsere Aufklärungsarbeit braucht es auch gute Bilder und Videos von den Tieren. Unser Team konnte vor Ort mit viel Geduld das Vertrauen der Tiere gewinnen und viele tolle Momente im Leben der Kühe und Kälber eingefangen. Wertvolles Material, das wir für unsere weitere Arbeit nutzen können, um viele Menschen für die Vorteile dieser Aufzuchtform zu begeistern. Denn Bilder von glücklichen Kälbern sagen bekanntlich mehr als tausend Worte.

Wie es weitergeht

Trotz der erfolgreichen Zusammenarbeit war dieser Besuch wahrscheinlich unsere letzte Kontrolle bei den HeuMilch Bauern, denn erfreulicherweise soll es zukünftig eine bioverbandsübergreifende Kontrolle und Zertifizierung für die kuhgebundene Kälberaufzucht geben. Dafür haben sich PROVIEH und die Demeter HeuMilch Bauern mit weiteren Akteuren zusammengeschlossen. Im Februar 2021 wurde die Interessensgemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht e. V. gegründet. Wir sehen diese Entwicklung als eine besondere Bestätigung für unsere Arbeit. Denn unsere Kriterien und das Kontrollverfahren des Siegels „Zeit zu zweit – für Kuh + Kalb“ bilden die Grundlage der IG kuhgebundene Kälberaufzucht.

Wir freuen uns auf diese neue Zusammenarbeit und werden uns weiterhin für die Bedürfnisse der Tiere und das Qualitätsversprechen unserer Kriterien einsetzen. Statt Kontrollbesuche werden sich zukünftig hoffentlich andere Gelegenheiten ergeben, um Kuh und Kalb in Aktion zu erleben. Die diesjährigen Hofbesuche haben uns mal wieder gezeigt: Eine andere Milchviehhaltung ist möglich.

Felicia von Borries

Frischer Wind bei KUH & KALB

Ein Kalb trinkt Milch bei einer Kuh – eigentlich die natürlichste Sache der Welt. In der heutigen Milchviehhaltung ist solch eine kuhgebundene Kälberaufzucht jedoch etwas Besonderes. In den letzten Jahren hat PROVIEH viel dafür getan, dass Kuh und Kalb zusammenbleiben können. Zur Fortsetzung der Kampagne KUH & KALB brauchten wir jedoch mehr finanzielle Mittel. Wir haben einen Förderantrag gestellt, um eine eigene Stelle für kuhgebundene Kälberaufzucht zu schaffen. Seit dem 1. Juni bekommen wir finanzielle Unterstützung aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖLN).

Warum gerade jetzt?

Es freut uns riesig, dass die kuhgebundene Kälberaufzucht zunehmend bekannter wird und es immer mehr Betriebe gibt, die Kuh und Kalb zusammenlassen. An diese positive Entwicklung wollen wir anknüpfen. Es braucht nun eine professionelle Unterstützung, um die kuhgebundene Kälberaufzucht als Alternative zur herkömmlichen Milchviehhaltung bekanntzumachen und am Markt zu etablieren. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir die gesamte Wertschöpfungskette mitdenken – vom Hof bis auf den Teller. Unser Projekt KUH & KALB soll daher eine wichtige Koordinierungsstelle sein. Hier wird Wissen gebündelt und eine Übersicht über die bisherigen Entwicklungen und Akteure geschaffen. Ein Fokus liegt auf der Verbraucherkommunikation, aber auch Erzeuger:innen, Handel und Fachleute sollen sich angesprochen fühlen.

Was machen wir konkret?

Das Herzstück unserer Kampagne ist eine neue Webseite. Hier wird es „Wissen“ zu Milcherzeugung und kuhgebundener Kälberaufzucht geben, ergänzt um Hofportraits, Grafiken, Bilder und Videos. Auch Fachinformationen werden auf der Seite zur Verfügung stehen. Unter dem Punkt „Einkaufen“ gibt es eine Übersicht zur Vermarktung. Hier dreht sich alles um die Kennzeichnung von Produkten und wo es diese zu kaufen gibt. Nützlich sind hierfür auch unsere Übersichtskarten. Der dritte Teil der Webseite widmet sich dem Thema „Mitmachen“. Hier werden Initiativen und wichtige Akteure der kuhgebundenen Kälberaufzucht vorgestellt. Außerdem zeigen wir Möglichkeiten auf, wie man die kuhgebundene Kälberaufzucht unterstützen kann.

Neben unserer Webseite KUH & KALB werden wir Infomaterial zur kuhgebundenen Kälberaufzucht erstellen, beispielsweise zur Auslage in (Hof)Läden, an Infoständen und bei Veranstaltungen. Auf Social Media und mithilfe von Artikeln, Radio- und Fernsehbeiträgen schaffen wir mehr Aufmerksamkeit für das Thema . Im weiteren Verlauf des Projektes werden wir auch Veranstaltungen zur Vernetzung und Wissensvermittlung organisieren und uns um die Ausbildung von Multiplikator:innen kümmern. 

Mit unserer Kampagne machen wir den Weg frei für eine andere Milchviehhaltung. Denn PROVIEH ist überzeugt: Kuh und Kalb gehören zusammen!

KUH & KALB | PROVIEH

Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags im Rahmen des Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere nachhaltige Formen der Landwirtschaft (BÖLN) gefördert.


Dieser Artikel ist im PROVIEH-Magazin “respektiere leben.” 03-2022 erschienen.

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