Kälber in der Milchviehhaltung: EU-Gutachten deckt umfassende Tierschutzlücken auf

Politik muss jetzt Weichen für Haltungsverbesserungen stellen! 

Berlin, 03.04.2023: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat ein Gutachten zur Bewertung der Richtlinie für die Kälberhaltung in Europa veröffentlicht. Darin bestätigt die EFSA vollumfänglich die von PROVIEH seit Vereinsgründung angeprangerten unzulänglichen Haltungs- und Fütterungsbedingungen sowie das unzureichende Gesundheitsmanagement bei Kälbern in der Milchviehhaltung. Darüber hinaus werden umfangreiche Empfehlungen erteilt, wie mehr Zeit für Mutter und Kalb, die Haltung in Kleingruppen sowie ein Maßnahmenpaket rund um die Versorgung und Haltung. PROVIEH sieht die Politik in der Verantwortung, endlich den Tierschutz bei Kälbern umfangreich zu verbessern.

„Die weitgehend übliche isolierte Haltung neugeborener Kälber in den sogenannten Kälberiglus muss schnellstmöglich verboten werden. Das EU-Gutachten stellt klar, dass die Haltung in Kleingruppen eine Vielzahl an Vorteilen bringt und widerlegt das Vorurteil, dass eine isolierte Aufzucht gesundheitliche Vorteile hat”, zeigt sich Kathrin Kofent, Fachreferentin für Rinder bei PROVIEH über das Gutachten erfreut. “PROVIEH fordert die Politik auf, die vom Tierschutzgesetz geforderte “verhaltensgerechte Unterbringung” endlich umzusetzen und die Haltungsverordnung für Kälber entsprechend anzupassen!”

Mit der Einzelhaltung von Kälbern werden jegliche Bedürfnisse der Tiere unterbunden. Die bewegungsfreudigen Kälber werden in eine winzige Box gesperrt, sie haben keinen Kontakt zu Artgenossen und können dementsprechend soziale Interaktionen nicht ausleben. Auch ihr Lern- und Spielverhalten wird in dieser Form der Haltung massiv beschnitten. Die Einzelhaltung ist mit großem vermeidbarem Stress für die Kälber verbunden.
 
Wie PROVIEH fordert auch die EU-Behörde die mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht und insgesamt mehr gemeinsame Zeit für Kuh und Kalb. Eine unmittelbare Trennung des Kalbes von seiner Mutter bringt zahlreiche Nachteile mit sich. PROVIEH sieht sich durch das EFSA-Papier einmal mehr darin bestärkt, dass die kuhgebundene Kälberhaltung flächendeckend in der Milchviehhaltung etabliert werden sollte.  
 
Die hohe Kälbersterblichkeit auf Milchviehbetrieben von bis zu 15 Prozent in den ersten vier Lebenswochen zeigt eindeutig, wie groß der Handlungsbedarf bei Kälbern ist. Neben einer Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung fordert PROVIEH ein umfassendes Maßnahmenpaket zum Schutz der Kälber: Statt der Hochleistungszucht auf Milch sollte eine Zweinutzungszucht die Kälber für eine hochwertige Milch- und Fleischgewinnung nutzbar machen. Und anstelle von Kälber-Exporten ins Ausland sollten Kälber hierzulande artgemäß gemästet und Kälbertransporte minimiert werden. Zeitgleich bedarf es einer ganzheitlichen Gesundheitsstrategie und einer Beendigung des Enthornens. Erst in diesem Zusammenspiel könnten Kälber aus der Milchviehhaltung umfassend geschützt werden. 

Hintergrund: 
Die EFSA wurde im Rahmen der Strategie „Vom Erzeuger bis zum Verbraucher“ (Farm to Fork) mit der Erstellung von Gutachten im Bereich der „Nutztiere“ betraut. Ziel ist es, dass die Europäische Union mit Hilfe dieser Gutachten noch in diesem Jahr neue, verbesserte Rechtsvorschriften erarbeitet. Das Kälberpapier finden Sie hier.
 
Neben den Empfehlungen zur Gruppenhaltung sowie der kuhgebundenen Kälberaufzucht spricht sich das Gutachten umfassend für PROVIEHs Forderungen aus: Dazu gehören das verbesserte Kollostrummanagement zur Stärkung der Immunabwehr, eine Erhöhung der gefütterten Milchmengen, des definierten Angebotes von Heu und Wasser, einer weichen verformbaren Liegefläche sowie einer erheblichen Erhöhung des Platzangebotes. 
 
Weitere Informationen zum Thema Kälber finden Sie hier und hier
 
“Wir richten einen eindringlichen Appell an die Politik zur Umsetzung einer klar verbesserten Kälberhaltung, um eine Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für Kälber sowie ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu forcieren“, so Kathrin Kofent abschließend. 

Ansprechperson
Kathrin Kofent 
Fachreferentin für Rinder 
Telefon: 0431. 24 828 16
Mail: kofent@provieh.de 

Pressestelle
Ada Brandt 
Pressereferentin 
Telefon: 0178. 100 53 91
Mail: pressereferat@provieh.de

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