Zähne zusammenbeißen und durch? Studie bestätigt: Enge Reithalfter verletzen Pferde

Bitte probieren Sie einmal Folgendes:

Beißen Sie kräftig die Zähne zusammen und laufen sie eine Stunde herum, ohne den zu Biss lockern.  Vermutlich werden Sie den Versuch mit schmerzendem Kiefer und verspanntem Nacken abrechen.

Pferde können dies nicht.  Viele werden tagein tagaus beim Training mit einem Reithalfter geritten. Dabei umschließen ein oder zwei  Riemen (Nasenriemen und ggf.  der Sperrriemen)  die Pferde“schnauze“ oder nur der Nasenriemen. Je nachdem wie fest die Riemen verschnallt sind, schränken sie das Pferd in seinem natürlichen Verhalten ein. Beispielsweise ist ein Gähnen nicht mehr möglich. Werden die Riemen darüber hinaus auch noch zu eng geschnallt, führt dies zu vermeidbarem Leid. Wie auch im Selbstversuch beim Menschen, verspannen sich Kiefergelenke, Nackenband und im Verlauf der gesamte Rücken. In Kombination mit den üblichen Metallgebissen ist ein Abschlucken des Speichels gestört und die Atmung erschwert. Zusätzlich werden durch zu enge Riemen die zahlreichen Nervenbahnen am Kopf des Pferdes gequetscht, gereizt und schlimmstenfalls geschädigt.

Ein weißes Pferd mit einem Sperrriemen
Ein Sperrriemen © Angelika-Schmelzer

In den „Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1“, der  Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) wird die Zwei-Finger-Regel zur Überprüfung  des Nasenriemens  empfohlen. Die Anwendung dieser Messmethode ist jedoch umstritten, da je nach Auslegung und Fingerdicke des Reiters beziehungsweise auf Turnieren des zuständigen Kontrollierenden unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden. Fakt ist, dass auf dem Nasenrücken des Pferdes gemessen werden sollte und die Finger bis zum zweiten Glied unter den Riemen geschoben werden müssten. In der neuen Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO), die ab 1. Januar 2018 auf allen nationalen Turnieren den Pferdesport, heißt es laut FN:

„…Weiterhin enthält die LPO 2018 eine Klarstellung hinsichtlich der Verschnallung des Reithalfters. Es wird genau erläutert, worauf es ankommt: Das Reithalfter soll leicht anliegen und darf weder die Atmung beeinträchtigen, noch die Maultätigkeit (Kauen) des Pferdes unterbinden. Damit wird klargestellt, dass weder das festgezurrte noch das viel zu locker sitzende Reithalfter seinen Zweck erfüllt, für eine ruhige Lage des Gebisses im Pferdemaul zu sorgen.“

Reicht eine solche Definition aus? Versteht dies der Laie und findet sie Akzeptanz und Anwendung?

PROVIEH ist wie auch viele andere Experten, Reiter und Pferdefreunde überzeugt, dass nur ein einheitliches Messsystem die Pferde – zumindest auf öffentlichen Veranstaltungen – schützen kann. Idealerweise sollte es jedem Reiter kostengünstig zur Verfügung gestellt werden.

Übrigens:

Ab 2018 soll es in Dänemark eine Regelung für die Verschnallung von Nasenriemen geben. Diese entspricht mit 1,5 Zentimetern etwa der richtig angewandten zwei-Finger-Methode der FN. Bis Ende 2017 sollen nun Messmethoden getestet werden, um die geeignetste herauszufinden.

Grund für die Einführung war eine Studie an 3000 Reitpferden. Diese zeigte einen klaren Zusammenhang zwischen Verletzungen im Maul und zu eng geschnallten Nasenriemen. Besonders betroffen waren Dressurpferde.  Mit steigendem Niveau der Pferd-Reiter-Paare wuchs zudem die Wahrscheinlichkeit für Maulverletzungen.

Kathrin Kofent

20.10.2017

Foto: © Angelika Schmelzer

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