Fast überall ist Schwein drin

Die umfassende Verwertung des Borstentiers

„Schwein gehabt“ meint, dass man Glück gehabt hat. Doch die sprichwörtliche Redewendung könnte auch anders verstanden werden. Tagtäglich kommen wir heute mit Bestandteilen vom Schwein in Kontakt, die in einer ganzen Palette von Produkten enthalten sind. Denn überall auf der Welt haben Menschen schon immer versucht, möglichst viel aus einem Schwein herauszuholen. Aber was die moderne Industrie heute alles aus dem Borstentier herstellen kann, ist dennoch verblüffend. Vom Fleisch der Schweine ist in diesem Zusammenhang nur am Rande die Rede.

Zahnpasta, Brot, Zigaretten – Schwein ist in fast Allem

Seit gut 9.000 Jahren wird das Schwein vom Menschen als Haus- und Nutztier gehalten. Die umfassende Verwertung des Tieres begann jedoch erst mit dem Einsetzen der Industrialisierung um 1850. In dieser Zeit  entstanden die ersten großen Schlachthöfe. Hinter verschlossenen Türen begann man von nun an auf immer umfassendere Weise, die sogenannten Schlachtnebenprodukte von Schweinen, Rindern, Schafen oder Ziegen in alle möglichen Alltagsprodukte einzuarbeiten, wenn auch nur in kleinen Anteilen.

Oft, wenn auch nicht immer, enthalten Lakritz, Kaugummis, Gummibärchen, Kuchen, Eis, Energieriegel usw. Gelatine vom Schwein. Auch für Medikamentenkapseln wird Gelatine benötigt. Sie besteht zu achtzig bis neunzig Prozent aus Eiweiß und wird in einem aufwändigen Prozess aus Haut und Knochen von Schweinen, Rindern (nur bis zur BSE-Krise), Geflügel und auch Fisch gewonnen. Das ist allgemein bekannt.

einige Zigaretten
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Weit weniger Menschen wissen aber, dass Gelatine vom Schwein auch in Patronen eingesetzt wird, um den Treibsatz einfach und sicher in die Patronenhülse zu bekommen. Ein wenig vom Schwein findet sich erstaunlicherweise in Zigaretten. Statt „mit oder ohne Filter?“ könnte man einen Raucher auch fragen: „mit oder ohne Schwein?“ Denn der Eiweißstoff Hämoglobin, gewonnen aus Schweineblut, dient in Zigarettenfiltern zum Filtern von Schadstoffen aus dem Tabak. 

Unser Badezimmer wäre ziemlich leer, würde man alle Produkte mit „Schwein“ entfernen. So werden Fettsäuren aus Schweineknochen den Seifen und Waschpulvern als Härter beigemischt, und in Shampoos sorgen sie für einen perlenden Effekt. Selbst in vielen Kosmetika kommen Substanzen schweinischen Ursprungs vor, und Cremes und Gesichtsmasken enthalten „Kollagen“, das aus Schweine- oder Rindergewebe gewonnen wird. Zahnpasta enthält Fett und Glycerin aus Schweineknochen, und in manchem Bad stehen Zahnbürsten mit Naturborsten, die vom Schwein stammen. Schweinehaare spielen auch beim Brötchenbacken eine Rolle: Um den Brotteig elastischer und knetfähiger zu machen, setzt man ihm heute Cystein zu. Diese schwefelhaltige Aminosäure wird aus Borsten gewonnen. 

Zahnpasta und Zahnbürste
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Die Liste von Produkten, die Bestandteile vom Schwein enthalten, ist lang. Die Industrie verwertet die Schlachtnebenprodukte weniger aus dem Grund, möglichst viel von einem ohnehin getöteten Tier zu nutzen, sondern vor allem, weil sie im jetzigen Wirtschaftssystem massenhaft und billig zur Verfügung stehen.

Hier verpönt, anderswo eine Delikatesse: Schweinekopf und Schweineohren

Was bei uns fast niemand mehr essen möchte, ist in China heiß begehrt: Köpfe, Pfoten und die Ohren vom Schwein gelten dort und in anderen asiatischen Ländern als ausgesuchte Delikatessen.Deshalb boomt dort das Geschäft mit Schweineteilen, die auch aus Deutschland stammen und für die in China weitaus höhere Preise gezahlt werden als hierzulande, wo die Schweineteile fast nur zur Herstellung von Tiernahrung verwertet werden können. Das lukrative Geschäft mit China lässt sich sogar noch ausweiten: Zwar wird im Reich der Mitte rein rechnerisch jedes zweite Schwein des weltweiten Bestandes gemästet, doch der nationale Bestand reicht nicht aus zur Deckung des dortigen, ständig steigenden Bedarfs. Erschwerend kommt hinzu, dass in China Überschwemmungen und Schweinekrankheiten fast regelmäßig für Millionenverluste  im Schweinebestand sorgen. 

Schweine spielen in der Medizin eine wichtige Rolle

Medikamente
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Bis vor wenigen Jahren hat man noch Insulin vom Schwein für Diabetiker verwendet, da die Herstellung von Human-Insulin schlicht zu teuer war. Da das Schwein dem Menschen genetisch sehr ähnlich ist, wurde hauptsächlich Schweineinsulin benutzt, obwohl es auch Insulin von Schafen oder Rindern gab. Mittlerweile wird in der Medizin nur noch gentechnisch hergestelltes Insulin eingesetzt. Es wird aus dem Darmbakterium Escherichia coli gewonnen, dem das menschliche Gen für Insulin eingesetzt wurde. Auch Heparin, aus Schweinedärmen gewonnen, ist aus dem klinischen Alltag nicht mehr wegzudenken.  Es wirkt blutverdünnend und beeinflusst die Blutgerinnung.  Es ist ein sehr wichtiges Medikament in der Thrombose-Prophylaxe.

Schweine als Organspender?

International wird in vielen Forschungsinstituten schon seit einigen Jahrzehnten daran gearbeitet, Transplantationen von Tierorganen in den menschlichen Körper zu ermöglichen. Das Schwein gilt als vielversprechender Kandidat für diese sogenannten Xenotransplantationen (griechisch Xenos = der Fremde). Theoretisch – so viele Wissenschaftler – ist das Borstentier hierfür gut geeignet, weil es leicht zu züchten ist, wie der Mensch ein Allesfresser ist und deshalb einen ähnliche Stoffwechsel hat, und weil seine Organe eine ähnliche Größe wie beim Menschen haben.

Operation
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Doch in der Praxis zeigen sich immer wieder große Probleme. Eigentlich nicht verwunderlich, da selbst Organ-Verpflanzungen von Mensch zu Mensch oft noch zu schweren Rückschlägen führen. Dass ein Mensch auf ein Tierorgan noch heftiger reagiert, ist also nicht verwunderlich. Um die besonders heftigen Abstoßungsreaktionen bei der Übertragung artfremder Organe in den Griff zu bekommen, nutzen Wissenschaftler seit einigen Jahren die Gentechnik. Sie züchten Schweine mit menschlichen Gewebemerkmalen, deren Organe vom Empfänger nicht mehr als artfremd erkannt werden sollen.

Ein weitere große Schwierigkeit sind Viren, die sich im Erbgut der Schweine eingenistet haben. Wie sicher ist der Mensch vor neuen Krankheiten, wenn Erreger die Artengrenze von Schwein auf Mensch überspringen? Viele Mediziner und Biologen warnen davor, Schweine direkt als Organspender zu nutzen. Sie fürchten die reale Gefahr, dass insbesondere Schweineviren bisher unbekannte Krankheiten im menschlichen Körper verursachen könnten.

Das bisher wichtigste Argument für die Nutzung von Schweineorganen ist die Knappheit menschlicher Spender. Aber würde nur ein Teil der Forschungsgelder für eine überzeugende Kampagne zur Erhöhung der Organspenden-Bereitschaft ausgegeben, ließe sich die Zahl der freiwilligen Organspender beträchtlich erhöhen. Es gibt also Alternativen zur industriellen Nutzung des Viehs. Auch in der medizinischen Forschung.

Susanne Kopte


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