Wurzeln des Überlebens

Hinterlassen wir die Erde besser, als wir sie vorgefunden haben 

Filmplakat: Wurzeln des Überlebens

Mit „Wurzeln des Überlebens“ liefert Regisseur Bertram Verhaag einen Dokumentarfilm über eine Landwirtin und vier Landwirte, die sich bei ihrer Arbeit auf fast vergessenes bäuerliches Wissen besinnen und versuchen, auf ihren Höfen den Einklang von Mensch, Tier und Natur wiederherzustellen. In seinem 98 Minuten umfassenden Werk stellt er die fünf Protagonist:innen und ihre verschiedenen Herangehensweisen an die ökologische Bewirtschaftung vor. Es wird gezeigt, wie sie sich die zum Teil jahrtausendealten Techniken und Bräuche angeeignet und diese weiterentwickelt haben, um sich der agrarwirtschaftlichen Industrialisierung und Intensivtierhaltung entgegenzustellen. Gedreht und produziert wurde der Film 2021 in Deutschland und Österreich. 

Der Käfer, der am Anfang stand 

Umrahmt wird die Dokumentation von der Ballade “Der Weltuntergang” des Schweizer Autors Franz Hohler, vorgetragen durch den Schauspieler Willi Lenik. Gleich zu Beginn wird den Zuschauer:innen das Szenario vor Augen geführt, wie mit dem Aussterben eines kleinen Käfers immer mehr Arten zugrundegehen und schließlich die Existenz der gesamten Menschheit gefährdet ist. Dieser drohende Weltuntergang wird untermauert durch ein stetig tickendes Metronom, das auch bei den Wechseln zwischen den Protagonist:innen ins Bild rückt und auf die Dringlichkeit des Umdenkens und Handelns hinweist, weil uns die Zeit dafür immer mehr durch die Finger rinnt.  

Der Tomatenpapst 

Der erste Protagonist ist Erich Stekovics, der sich auf den Anbau von Tomaten aller Art spezialisiert hat. Als Saatgutretter hat er mittlerweile über 3200 verschiedene Tomatensorten gesammelt und will mit seiner Arbeit deren Genetik und Vielfalt erhalten. Deutlich spürt man seine Ehrfurcht vor der Natur, wenn er die Samen wie einen kostbaren Schatz behandelt. Circa 500 Sorten baut er jährlich auf seinen Feldern an, wobei hierfür kein besonderer Aufwand betrieben wird, sondern die Pflanzen so wachsen dürfen, wie die Natur es will. Wichtig ist ihm nur, dass Lebensmittel auch heutzutage noch nach etwas schmecken und nicht allein die Haltbarkeit oder Transportfähigkeit über ihren Anbau entscheiden. 

Ein glücklicher Tomatengärtner
Erich Stekovics hat sich auf den Anbau von Tomaten spezialisiert, © DENKmal Film
Eine große geteilte Tomate
Eine von vielen alten Tomatensorten. © DENKmal Film

Wenn auch männliche Küken zählen… 

Karl Schweisfurth hat für sein Gut Hermannsdorf bei Glonn die symbiotische Landwirtschaft entdeckt. Hierbei leben verschiedene Tierrassen, wie Rinder, Schweine, Hühner etc., zusammen und ergänzen sich gegenseitig, sei es durch ihre unterschiedliche Nutzung des Bodens oder den gegenseitigen Schutz. Besonders wichtig ist Schweisfurth die artgerechte Haltung von Hühnern. Kükenschreddern gibt es bei ihm nicht, die Bruderhähne werden konsequent aufgezogen. So hat er lange nach einer Hühnerrasse gesucht, die nicht nur Eier legt, sondern auch gutes Fleisch gibt und das Zweinutzungshuhn auf dem Hof etabliert. Geschafft hat er das durch die Unterstützung der Konsument:innen, von denen er Spenden sammelte, um Ställe mit Freilaufflächen zu bauen. 

Küken Schweisfurth
Hier werden auch die Brüderhähne aufgezogen, © DENKmal Film

Ein Bauernhof mitten in der Stadt 

Beim dritten Protagonisten handelt es sich um den Demeter-Bauern Christoph Simpfendörfer, der sich der biologisch-dynamischen Landwirtschaft verschrieben hat. Sein Hof liegt inmitten eines Wohngebietes und er ist davon überzeugt, dass Bauern in die Stadt gehören, um den Menschen die Landwirtschaft wieder näher zu bringen. Er berichtet über den Sinn und die Wirkungsweise, ebenso wie über die Herstellung von bio-dynamischen Präparaten. Mit ungewöhnlichen, für Laien oder Nicht-Eingeweihte vielleicht auch seltsam anmutenden Methoden werden dem Boden damit Nährstoffe zugeführt, um ihn gesund und ausgeglichen zu erhalten; die Pflanzen werden dadurch befähigt, die Kräfte von Sonne und Kosmos besser zu nutzen. Simpfendörfer sieht in dieser Form der Landwirtschaft die Antwort auf den Hunger in der Welt. 

Kuh und Kalb gehören zusammen 

Eine glückliche Kuhherde
Mechthild Knösel inmitten ihrer Rinderherde. Kuh und Kalb dürfen bei ihr zusammen aufwachsen, © DENKmal Film

Mechthild Knösel ist Rinderzüchterin und hat sich ebenfalls für die bio-dynamische Landwirtschaft entschieden, weil diese die Bodenfruchtbarkeit verbessert und es sich dabei um eine gesunde und nah am Wesen der jeweiligen Tiere entwickelte Tierhaltung handelt. Da sie die verzweifelten Schreie der Mutterkühe und Kälber, die bereits kurz nach der Geburt voneinander getrennt werden, nicht mehr ertragen konnte, stand für sie fest, dass die Kälber bei ihren Müttern aufwachsen sollen. In dem Beitrag werden die diversen Vorteile der kuhgebundenen Kälberaufzucht in den Mittelpunkt gerückt, die für die Entwicklung des Kalbes sehr wichtig ist und sie auch immunologisch bestens auf das Leben vorbereitet. 

Der selbstbewusste Bauer 

Für Josef Braun, den fünften und letzten Interviewpartner von Verhaag, steht fest, dass Landwirtinnen und Landwirte selbstbewusster werden müssen und sich nicht mehr dem Diktat von Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft unterwerfen dürfen. Zu seinem Leidwesen ist viel landwirtschaftliches Wissen verloren gegangen, weshalb er sich für eine bäuerliche Landwirtschaft ausspricht, die die natürlichen Kreisläufe wieder entstehen lässt und diese achtet, um die verschiedenen Synergien nutzen zu können. Um die Bodenfruchtbarkeit wiederherzustellen, setzt er auf Regenwürmer als natürliche Helfer. Zudem plädiert er dafür, den Ackerbau neu zu denken und vernetzte Systeme entstehen zu lassen. Das ist zum Beispiel bei der Agroforstwirtschaft der Fall, bei der Elemente des Ackerbaus und der Tierhaltung mit Forstwirtschaft kombiniert werden und so zu einer ausgeglichenen Landnutzung beitragen. 

Ein Landwirt erklärt etwas
Josef Braun, © DENKmal Film

„Wurzeln des Überlebens“ ist ein leidenschaftlicher, ambitionierter Film, der zum Nachdenken anregt und diverse Lösungen aufzeigt, wie man Landwirtschaft bereits jetzt schon sehr viel naturbelassener und ökologischer – auch ohne Ertragseinbußen – betreiben kann. 

So unterschiedlich die fünf Protagonist:innen auch sind, stehen sie doch alle für das gleiche Ziel ein: Sie wollen die Erde und den Boden für künftige Generationen besser hinterlassen, als sie ihn vorgefunden haben. Für sie stehen eine artgerechte Tierhaltung sowie eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Höfe im Vordergrund und es ist schön zu sehen, dass sie damit nicht alleine sind, sondern von Leuten außerhalb der Landwirtschaft bei ihren Projekten unterstützt werden, sei es durch Geldspenden oder deren Arbeitskraft. Denn wir dürfen nie vergessen: Wir als Konsument:innen haben es in der Hand und entscheiden mit, wie die Landwirtschaft genauso wie die Gesellschaft in Zukunft gestaltet werden sollen. Wir sind es, die dem Artensterben etwas entgegensetzen müssen! 

Momentan ist der Film nur über Kino-on-Demand verfügbar. Den Link finden Sie hier: https://www.kino-on-demand.com/movies/wurzeln-des-uberlebens 

Thora Panicke 

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