Tagesseminar „Umbau der Schweinehaltung“ war ein voller Erfolg

Wenn sich vier Organisationen zusammentun, die verschiedene Interessengruppen vertreten, um über ein heißes Thema in der Landwirtschaft zu diskutieren, verspricht es ein interessanter Tag zu werden. 

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Genussgemeinschaft Städter und Bauern, Slow Food und PROVIEH empfingen am 13.11.2019 zum Tagesseminar „Umbau der Schweinehaltung“ im bayerischen Pfaffenhofen mehr als 100 angemeldete Teilnehmer aus unterschiedlichsten Bereichen.

Der Veranstaltungstag begann mit einem Vor-Ort-Termin auf dem Doimahof. Familie Weichselbauer führt hier einen konventionellen Schweinemastbetrieb, der jedoch einen anderen Weg in der Tierhaltung eingeschlagen hat. Frau Weichselbaumer erklärte anschaulich die Philosophie ihres Betriebes, verschwieg aber auch nicht den oftmals sehr harten Weg zu einer besseren Schweinehaltung. Der Arbeitsaufwand ist wesentlich höher und es erforderte nicht unerhebliche Investitionen, viel Geduld und Engagement, um den Stallumbau zu realisieren und vor allem die Tiere rentabel zu vermarkten. Der Verkauf der Produkte erfolgt inzwischen ausschließlich über die Metzgerei Joseph Huber im nahen Ingolstadt, zu welcher die Landwirte die Tiere persönlich transportieren. 

Schweine im Stroh

Alle Seminarteilnehmer durften sich nach der sympathischen Einführung ein eigenes Bild von den Bewohnern der neuen Stallungen machen. Es sind luftige, offene Laufställe ohne Spalten und im überwiegenden Teil der jeweiligen Boxen mit Stroh eingestreut. Die Tiere machten einen ausgesprochen entspannten Eindruck und zeigten sich neugierig und ohne Scheu mit ihren intakten Ringelschwänzen den vielen Besuchern gegenüber. Das neue Konzept der Weichselbaumers ist ein Erfolg. Für die Tiere und auch für die Menschen, die mit den Tieren arbeiten, wie die Landwirtin betonte und der man die Begeisterung für die getroffenen Entscheidungen anmerkte.

Der weitere Programmablauf ging an diesem regnerischen Tag „Inhouse“ im Stockerhof weiter und begann nach der Begrüßung der Initiatoren mit einem Vortrag von Gerhard Brandmaier aus dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Herr Brandmaier referierte detailliert über die derzeitigen und geplanten Fördermöglichkeiten, die Landwirte bei einem Umbau ihrer Stallungen in Anspruch nehmen können. Eine Zielsetzung solle künftig auch die Förderung von Außenklimaställen sein. Er erwähnte aber auch, dass wegen der momentanen Unsicherheit (wie die neue Tierschutzhaltungsverordnung, Luft- und Düngeverordnung) kaum Anträge gestellt würden. Die Landwirte müssten in Vorlage gehen, dafür benötigten diese langfristig Sicherheit. Hier seien Politik und Verbraucher in der Pflicht, wenn der massive Verlust von Zuchtbetrieben (Höfesterben) gestoppt und nicht Regionales durch Billigware aus dem Ausland ersetzt werden soll.

Doimahof

Darauf verweist auch Ulrich Jasper von der AbL-Bundesgeschäftsstelle. Die Investitionen und die Mehrarbeit, welche in den Außenklimaställen wesentlich höher sind, müssten entlohnt werden. Der Markt decke die Mehrkosten derzeit nicht ab. Es brauche neue Finanzierungswege, da die bestehenden Töpfe nicht reichen werden. Fördermöglichkeiten müssen ausgebaut werden, auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wäre eine Option. Derzeit seien nur ca. ein Prozent der vermarkteten Schweine in den Stufen 2 oder 3 des Tierschutzlabels oder innerhalb der Biorichtlinien.

Für Diskussion sorgte der Vortrag von Hr. Dr. Hermann Meiler zum Thema Handlungsbedarf Tiergesundheit. Herr Dr. Meiler war leitender Veterinärdirektor des Großschlachthofes in Hof. Eine Studie i.R. einer Dissertation der Ludwig-Maximilians-Universität München belegte seine Beobachtungen, dass ca. 90 Prozent der Schweine Technopathien (Schäden wie zum Beispiel Schleimbeutelentzündungen), aufweisen. Diese seien typisch für Schweine, die auf Vollspalten gehalten würden und äußerst schmerzhaft. Ein geübter Tierarzt sehe den Tieren bereits bei der Ankunft am Schlachthof und an der Art wie sich bewegen an, aus welcher Haltungsform sie kämen. Bei vielen Schweinen sind die Schwellungen auch mit bloßem Auge offensichtlich. Hier bestehe seit Langem dringender Handlungsbedarf. Es müsse zur Grundbedingung werden, dass die Tiere in einem gesunden Zustand auf den Schlachthof kommen. Zumindest sollen ab 2020 auf Schlachthöfen Technopathien erfasst werden.

Er thematisierte auch den wachsenden Druck auf die Landwirte durch den chinesischen Markt. Selbst wenn dieses große asiatische Land noch Exportmarkt ist, wachse die innerchinesische Schweine-“produktion“ rasant. Die Bedingungen für die Tiere (Beispiel Schweinhochhäuser) seien inakzeptabel und Deutschland könne weder bei diesem Preiskampf mithalten noch solle das das Ziel sein. Der Vortrag sorgte für Bestürzung und rief auf Seiten der Landwirte emotionale Reaktionen hervor. Es zeigte sich zu diesem Zeitpunkt wohl am deutlichsten das Spannungsfeld, in welchem sich die Bauern bewegen. Die Landwirte fühlten sich oftmals an den Pranger gestellt und als „Buhmann der Nation“. So mancher Bauer monierte an diesem Tag nicht zu Unrecht, dass der Anspruch der Verbraucher meist mit dem kollidiere, was von derer Seite gefordert werde. Vieles seien Lippenbekenntnisse, die vor den Regalen vergessen würden.

Stockerhof

Der Nachmittag war geprägt von Beispielen, die, wie die Weichselbaumers, versuchen einen anderen Weg zu gehen. Allen voran Metzgermeister Rüdiger Strobel von der Interessensgemeinschaft „Bayerisches Strohschwein“, der unter anderem nur ‚Strohschweine‘ wie vom besuchten Doimahof verarbeitet. Er berichtete mit Enthusiasmus über den Vermarktungsweg seiner Produkte. Verkauft werden nur Fleischwaren aus Strohhaltung. Wichtig sei hier das Marketing und das Vertrauen der Verbraucher. Er hatte sich deshalb entschlossen, ausschließlich Wurst- und Fleischwaren aus Strohhaltung zu verkaufen, da die Kunden dann absolute Sicherheit hätten, das zu bekommen, wofür sie dann auch bereit seien mehr zu bezahlen. Das Marketing ist wichtig, aber Glaubwürdigkeit sei unabdingbar. Er wies auch auf die Rolle der Metzgereien hin und hofft künftig weitere für die Strohschwein-Kampagne zu gewinnen.

Die letzten zwei Beiträge kamen wieder direkt von den Höfen. Zwei junge Bäuerinnen, Katharina und Stefanie, erklärten charmant ihr Konzept ihres konventionell bewirtschafteten Betriebs, bei dem das Tierwohl mit Stroh- oder Weidehaltung an oberster Stelle stehe. Auch die jungen Damen verweisen darauf, dass die Umbaukosten von 250,00 Euro pro Mastplatz hoch und der Bürokratiedruck massiv sind. Sie haben jedoch eine Nische gefunden, die ihnen die Möglichkeit gebe, so zu wirtschaften wie es ihren Idealen entspricht, zum Beispiel als sogenannte Ferkelerzeuger für EDEKA Südwest (Hofglückprogramm) oder dem Betreiben eines Hofladens. Wenn es auch nicht immer einfach schien, der Enthusiasmus der beiden Junglandwirtinnnen war ungebrochen. 

Josef Schmid, Landesvorsitzender des AbL Bayern war der letzte Vortragende an diesem Tag. Auch er stellte kurz seinen Betrieb vor, der unter anderem 150 Mastschweine hält und nach Bioland-Richtlinien wirtschaftet. Er ergriff auch die Gelegenheit, auf das bayerische Volksbegehren hinzuweisen, da dieses einen Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent fordert und hier sich Möglichkeiten bieten. Ebenso verwies er auf das Beispiel Dänemark. In den Kantinen der öffentlichen Einrichtungen in Kopenhagen kämen 90 Prozent Bio-Produkte ohne Mehrkosten auf den Tisch. Weniger Fleisch dafür qualitativ hochwertiger. 

Er beschloss seinen Beitrag mit einem schönen Resümee: „Wir sind auf einem guten Weg. Wichtig bleibt, dass Tierschutz und Bauern miteinander reden“. 

So beendete er den offiziellen Teil einer sehr gelungenen Veranstaltung, welche dank dem Engagement von Stefan Barbarino (Genussgemeinschaft Städter und Bauern), Andrea Eiter (AbL) und Dr. Henning von Lützow (PROVIEH) reibungslos über die Bühne ging. Sie zeigte aber auch sehr deutlich die gravierenden Probleme, die angegangen werden müssen. Es geht um viel: Das Leiden der Tiere zu beenden, aber auch die Landwirte mitzunehmen, bei denen es oftmals um nicht weniger als die nackte Existenz geht. Die Entscheidung liegt bei der Politik und bei uns. Welch eine Landwirtschaft wollen wir?

Edith Mews

Gruppenfoto

von links nach rechts: Markus Hahnel (Slow Food München), Rüdiger Strobel (Landmetzgerei, IG bay. Strohschwein), Michael und Barbara Weichselbaumer (Doimahof), Katharina Röger (‚Wohlfühlschweine‘), Ulrich Jasper (Bundes-AbL), Isabella Hirsch (AbL Franken), Stephanie Röger (‚Wohlfühlschweine‘), Gerhard Brandmaier (BaySTMELF), Andrea Eiter (AbL Bayern), Josef Schmid (AbL Bayern, Biobauer), Dr. Hermann Meiler (Ltd. Veterinärdirektor a.D.), Dr. Henning von Lützow (PROVIEH, Tierarzt), Stefan Barbarino (Genussgemeinschaft Städter und Bauern)

PROGRAMM UND VORTRÄGE ZUM DOWNLOAD

9:45 – 10:30 Uhr: Barbara und Michael Weichselbaumer betreiben den ‚Doimahof‘ und haben durch Umbau seit 2016 einen Aussenklimastall mit Haltung von 500 Schweinen auf Stroh mit Platzangebot nahe an Biokriterien. 

Führung auf dem Doimahof mit Vorstellung und Entwicklung des Hofes (PDF)

11.30 – 12.15 Uhr: Gerhard Brandmaier ist im bayerischen Landwirtschaftsministerium zuständig für Grundsatzfragen der Agrarpolitik und hier speziell im Referat G 4 für die staatliche Förderung. 

Vortrag: „Bäuerliche Schweinehaltung im Spannungsfeld von Ökonomie, Tierwohl und Umweltschutz“ (PDF) 

12.15 – 12.30 Uhr: Ulrich Jasper leitet die AbL-Bundesgeschäftsstelle in Hamm und auch den AbL-Arbeitskreis „Bäuerliche Schweinehaltung“

Vortrag: „Wer bezahlt mehr Tierwohl? Wege zur Finanzierung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ (PDF)

13.30 – 14.30 Uhr: Dr. Hermann Meiler ist Tierarzt und war 30 Jahre als leitender Veterinärdirektor Chef des städtischen Veterinäramtes in Hof und damit im Laufe seiner Dienstzeit für drei Schlachthöfe in Hof zuständig, seit 2014 a.D. Er ist Ehrenmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Bayern der Amtstierärzte für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz. Außerdem kann er als „Motor“ der Strohschweinehaltung bezeichnet werden, er hält Vorträge und ist im Austausch mit Metzgern, Politikern und Handelsunternehmen.

Vortrag: “Handlungsbedarf Tiergesundheit und kritische Betrachtung Tierwohllabel (LEH und staatlich)“ (PDF)

14.30 Uhr – 15.30 Uhr: Wir kommen nun zu den best-practice-Beispielen bei Tierhaltung und Vermarktung. Rüdiger Strobel aus Hof betreibt eine Landmetzgerei und Eventhalle, er ist Diplom-Fleischsommelier und hat die IG bayerisches Strohschwein gegründet. Vermarktet wird über seine Metzgerei und an Großkantinen.  

Vortrag: „Die Initiative Strohschwein. Die Vermarktung von Tierwohl als Chance zur Profilierung.“ (PDF)

http://www.stroh-macht-froh.de/

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Katharina und Stephanie Röger aus Dillingen sind Landwirtschaftsmeisterin und Landwirtin. Zusammen mit ihren Eltern sind sie Ferkelerzeuger für Edeka Südwest und das Hofglückprogramm. Der Betrieb hält Strohschweine und auch Freilandschweine, letztere werden als sogenannte Patenschweine vermarktet. 

Vortrag: „Wo Wohlfühlschweine wohnen.“ (PDF)

http://www.röger-gbr.de

Josef Schmid aus Neufraunhofen ist 1. Landesvorsitzender der AbL-Bayern. Auf seinem Biolandhof leben 25 Milchkühe und 150 Bioschweine. Er gibt außerdem eine Einschätzung zur künftigen Vermarktungssituation für Bioschweine vor dem Hintergrund der 15 neuen Ökomodellregionen und dem Ziel des Volksbegehrens mit 30 Prozent Ökolandbau bis 2030.

Vortrag: „Der Biohof Schmid, eine Einschätzung zur künftigen Vermarktungssituation und das Volksbegehren.“ (PDF)

Weitere Informationen:

Fotos: © Till Westermann und Stefan Barbarino

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