Schlachthofmissstände

Lieber nicht so genau hinsehen

Trotz aktueller Tierschutzvergehen in Tauberbischofsheim lehnt die Bundesregierung weiterhin die Videoüberwachung in deutschen Schlachthöfen ab.

„Allein anhand von Videoaufnahmen dürfte es häufig nicht möglich sein, etwaige Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen zu belegen, weil zusätzlich veterinärmedizinische Vor-Ort- Befunde erforderlich wären“, heißt es in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Maria Flachsbarth, auf eine schriftliche Anfrage der SPD-Bundestagsabgeordneten Susanne Mittag. Jedoch hat das aktuelle Videomaterial von Friedrich Mülln (Soko Tierschutz) sehr deutlich das Tierleid beim Einsatz von Elektrotreibhilfen, Fehlbetäubungen und unterlassene Nachbetäubungen dokumentiert. So deutlich, dass der Schlachthof in Tauberbischofsheim geschlossen wurde und der zuständige Amtstierarzt seinen Hut nehmen musste.

Das Ziel: Weiterhin mit gutem Gewissen wegsehen

Frau Dr. Flachsbarth präferiert statt einer Videoüberwachung vollautomatisierte Verfahren und Techniken für industrialisierte Schlachthöfe und stellt sogar Fördermaßnahmen des Bundes in Aussicht. Das hört sich nach Horrorfilm an, gilt aber bereits heute als die Schlachtstätte der Zukunft.

Die klassischen Tierschutzverstöße in Schlachthöfen passieren durch Menschenhand. Deshalb sollen so viele Prozesse wie möglich automatisiert werden. Der Schlachtvorgang soll dadurch effektiver und sicherer, aber auch industrialisierter und anonymer werden. Ein weiterer Schritt zur Verdinglichung von Nutztieren, zur Anonymisierung des Schlachtprozesses. Hierzu passen Videokameras doch sehr gut, sofern die Aufnahmen nicht in die Öffentlichkeit gelangen.

Videoüberwachung in Frankreich und Großbritannien

Seit 2018 ist die Videoüberwachung von Schlachthöfen in Großbritannien Pflicht. In Frankreich hat das französische Parlament gerade einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Danach sollen sämtliche Schlachthöfe mit Kameras überwacht werden. Der niederländische Staatssekretär Martijn van Dam will ebenfalls Schlachthöfe mit Kameras überwachen lassen. Die Aufnahmen sollen der niederländischen Lebensmittelsicherheitsbehörde zugänglich gemacht werden.

Bundesauftrag Tierschutz wartet auf Anstoß der Länder

Staatssekretärin Flachsbarth fehlt hierzu der Anstoß aus den Bundesländern. Sie stellte fest, dass der Bundesregierung von Seiten der Länder bisher keine Forderungen nach einer verpflichtenden Videoaufzeichnung vorliegen und eine solche Maßnahme vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig sei. Es wurde wohl versäumt, den wirklich relevanten Hintergrund, nämlich Fehlbetäubungsraten und Tierschutzvergehen näher zu beleuchten.

Vor diesem Hintergrund sieht PROVIEH nun seinen Auftrag, sich bei den Runden Tischen Tierschutz und den Tierschutzbeiräten und –kommissionen der einzelnen Bundesländer dafür einsetzen, Anträge zur Einführung von CCTV (Closed Circuit Television) in Schlachthöfen zu formulieren und an die Bundesregierung zu adressieren, denn wir fordern seit Jahren die Videoüberwachung in allen deutschen Schlachthöfen.

Angela Dinter

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