Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene

Tierschutz auf Bundesebene ist eng verknüpft mit einem Einwirken auf die bestehende Rechtslage. Es reicht schließlich nicht aus, nur ein Umdenken bei den Abgeordneten zu erreichen. Noch wichtiger ist, dass Verbesserungen des Tierwohls in bindendes Recht umgesetzt werden. Für unsere Betrachtung sind an dieser Stelle Gesetze und Verordnungen interessant.

Regelmäßig werden durch Bundesregierung und Bundestag verschiedene Gesetze und Verordnungen mit bundesweiter Bedeutung für den Tierschutz novelliert oder ganz neu erstellt. Auf dieser Ebene ist PROVIEH immer wieder in den Gesetzgebungsprozess eingebunden. Die Bundestierschutzkommission ist direkt beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft angesiedelt und kann so bereits sehr früh Einfluss auf alle Entwürfe für Gesetze oder Verordnungen nehmen, welche in irgendeiner Form die Bedingungen von „Nutztieren” betreffen.  

Was macht PROVIEH?

PROVIEH ist an diversen Gremien auf Bundesebene beteiligt. So sitzt unsere Fachreferentin für Rinder, Anne Hamester, zum Beispiel im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung in der Arbeitsgruppe Rind und setzt sich für schärfere Kriterien bei dem geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichen ein Die Fachreferentin für Pferde, Kathrin Kofent, hat mit Vertretern aus Tierschutz, Tierärzteschaft, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und sonstigen Fachleuten und Verbänden intensiv über mögliche und nötige Anpassungen der „Leitlinien Tierschutz im Pferdesport“ diskutiert. Die aktualisierte Fassung wurde inzwischen durch das BMEL offiziell herausgegeben. 

Weiterhin sind im Rahmen der Verbändeanhörungen Stellungnahmen von großer Bedeutung, in denen der Tierschutz oberste Priorität hat. PROVIEH gibt in diesen Papieren wichtige Impulse zurück an das Ministerium und versucht die Gesetzgebung maßgeblich zu beeinflussen. Diese Stellungnahmen werden veröffentlicht, und so für die Medien und Öffentlichkeit zugänglich gemacht.  

Bei konkreten, aktuellen Problemen wendet sich PROVIEH mit offenen Briefen an die zuständigen Abgeordneten und/oder Fraktionen und sucht das persönliche Gespräch mit den Entscheidungsträger:innen.  

Diese Treffen finden auch immer wieder im Rahmen von Veranstaltungen und/oder auf Podien statt, auf denen Vertreter:innen von PROVIEH oft gemeinsam mit verschiedensten Abgeordneten über mögliche Verbesserungen im Bereich „Nutz“tierhaltung diskutieren. 

Wer kann Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen?

Damit eine Idee zu einem Gesetz werden kann, muss zunächst ein Vorschlag in den politischen Prozess eingebracht werden. Diese Vorschläge werden Gesetzesinitiativen genannt. Das Initiativrecht, das nötig ist, um Gesetzesänderungen oder neue Gesetze vorschlagen zu können, liegt bei der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat.

Gut die Hälfte aller Gesetzesinitiativen gehen von der Bundesregierung aus, aber auch Mitglieder des Bundestages (mindestens fünf Prozent der Mitglieder) und der Bundesrat können Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen. Zusätzlich können auch nichtstaatliche Akteure, wie Interessengruppen, Gewerkschaften oder wissenschaftliche Institutionen Einfluss nehmen. Sie können Gesetzesvorschläge an die Vertreter des politischen Apparates herantragen und für eine Einbringung werben. Diese Vorschläge werden informelle Impulse genannt.

Ein Gesetz wird auf den Weg gebracht

Nachdem ein Gesetzesentwurf oder eine Gesetzesänderung in den politischen Prozess eingebracht wurde, beginnt ein komplexer Ablauf in dem alle wichtigen Organe der politischen Ordnung beteiligt sind.

Referentenentwurf

In einem ersten Schritt wird zunächst ein Vorentwurf angefertigt, in dem ein entsprechender Gesetzestext ausformuliert wird. Dies verlangt nach fachlicher Kompetenz und Detailwissen. An dieser Stelle kommen die sogenannten Fachreferenten zum Einsatz, die über umfangreiches Rechts- und Politikwissen verfügen. Sie werden unterstützt von Fachleuten aus der Wissenschaft. Zudem wird der Gesetzesentwurf abgestimmt mit Experten von fachverbundenen Organisationen und Verbänden. Zusätzlich besteht auch Kontakt zu Ministeriumsabteilungen und Vertretern des Landes, um einen möglichst kompromissfähigen Entwurf auf den Weg bringen zu können.

Nachdem die Fachreferenten einen Vorentwurf angefertigt haben, wird das zukünftige Gesetz an das Bundeskabinett weitergereicht. Hier wird der Vorentwurf von Mitarbeitern der Bundesregierung weiter ausgearbeitet und als Regierungsentwurf beschlossen.

Erster Durchgang im Bundesrat

Nachdem die Bundesregierung den Regierungsentwurf erstellt hat, wird dieser Entwurf zuerst dem Bundesrat zugeführt. Dieser hat nun sechs Wochen Zeit, um Stellung zu beziehen. Häufig schlägt der Bundesrat Änderungen am Entwurf vor. An dieser Stelle wird erörtert, inwieweit die Interessen der Länder von dem Gesetzesentwurf tangiert werden. So kann schon frühzeitig abgeschätzt werden, wo die Vorstellungen von Bund und Ländern auseinander gehen könnten.

Erste Lesung im Bundestag

Über jeden Gesetzesentwurf wird im Bundestag drei Mal beraten. Diese Beratungen werden Lesungen genannt. Im Zuge der ersten Lesung wird entschieden, welche Ausschüsse den Entwurf behandeln sollen. Bei Gesetzen, die als besonders wichtig eingestuft werden, finden an dieser Stelle schon Aussprachen statt, die den weiterführenden Prozess erleichtern sollen. Im Normalfall wird sich allerdings darauf beschränkt, den Entwurf an die entsprechenden Ausschüsse weiterzuleiten.

Ausschussberatung

In den Ausschüssen wird der Gesetzesentwurf auf Herz und Nieren geprüft. Vertreter der Regierung, des Bundesrates und der Ministerien sind in diesen Abschnitt involviert. Die Fraktionen treten in Arbeitsgruppen zusammen und formulieren ihre Positionen aus. Auch werden bei komplexeren Gesetzesentwürfen öffentliche Anhörungen anberaumt, in denen Sachverständige aus der Wissenschaft und Vertreter relevanter Verbände ihre Expertise mit einbringen können.

In den meisten Fällen kommt es an dieser Stelle zu Veränderungen am Entwurf.

Zweite und dritte Lesung im Bundestag

Von den Ausschüssen geht der überarbeitete Entwurf im Anschluss an den Bundestag weiter. Dieser kommt in zu einer zweiten Beratung über die Vorlage zusammen. An dieser Stelle wird jede einzelne Bestimmung des Entwurfes diskutiert. Auch Änderungsanträge kommen hier zur Sprache. Diese werden meist von der Opposition eingebracht und haben kaum eine Chance tatsächlich in den Entwurf mit aufgenommen zu werden. Sie bringen allerdings abweichende Standpunkte der Opposition zum Ausdruck und sind wichtig, um diese Differenzen an die Öffentlichkeit zu bringen.

In den meisten Fällen folgt die dritte Lesung im Bundestag in direktem Anschluss an die zweite Lesung. An dieser Stelle wird Grundsätzliches zum Entwurf erörtert und der Entwurf zu einer Schlussabstimmung gebracht.

Zweiter Durchgang im Bundesrat

Nachdem der Bundestag dem Gesetzesentwurf zugestimmt hat, wird der Entwurf durch den Bundestagspräsidenten an den Bundesrat weitergeleitet. Dieser schaut sich den Entwurf ein weiteres Mal im Detail an. Wenn ein relevanter Anteil der Landesvertreter weiterhin Probleme im Gesetzestext sieht, kann binnen drei Wochen der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Dieser besteht aus 32 Mitgliedern – und ist mit je 16 Vertretern aus dem Bundestag und dem Bundesrat besetzt. Im Vermittlungsausschuss wird nach einem Kompromiss gesucht mit dem sowohl die Vertreter der Länder als auch die Vertreter des Bundes sich arrangieren können.

Sollten die Gespräche im Vermittlungsausschuss erfolglos und das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig sein, kann der Bundesrat Einspruch gegen das Gesetz einlegen. Der Bundestag wiederum kann diesen Einspruch mit absoluter Mehrheit zurückweisen.

Zur Erläuterung: Gesetze gelten in diesem Zusammenhang als zustimmungsbedürftig, wenn das Gesetz die Belange der Bundesländer tangieren und damit für den Bundesrat – als Ländervertretung – von besonderer Bedeutung sind.

Gesetzgebungsprozess beendet – Ein Gesetz entsteht

Nachdem nun alle Hindernisse für die Entstehung des Gesetzes aus dem Weg geräumt worden sind, kommt der Bundespräsident ins Spiel. Mit seiner Unterschrift wird der Entwurf zu einem Gesetz und wird im Bundesgesetzblatt verkündet. Der Bundespräsident darf die Unterschrift übrigens nicht aus politischen Gründen verweigern. Nur wenn der Gesetzesentwurf verfassungsrechtlich nicht korrekt angefertigt wurde und damit verfassungswidrig wäre, kann der Bundespräsident die Unterschrift verweigern.

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