GAP – Die Gemeinsame Agrarpolitik

Die GATT (Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, General Agreement on Tariffs and Trade) wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet. Das Ziel war zunächst die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, den landwirtschaftlichen Sektor zu stärken, die Agrarmärkte zu stabilisieren und die Produktion zu fördern. Seit ihren Anfängen wird die Agrarpolitik immer wieder reformiert und verändert. 1995 wurde aus der GATT die GAP (Gemeinsame Europäische Agrarpolitik/ CAP – Common Agricultural Policy).

Die heutigen Ziele der GAP umfassen die Unterstützung der Landwirtschaft betreibenden Menschen und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion sowie die Einkommenssicherung der europäischen Landwirt:innen, die Erhaltung ländlicher Gebiete der EU und die Förderung der Wirtschaft im ländlichen Raum durch einen Anstieg der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Im Prinzip könnte die GAP eines der großartigsten politischen Gestaltungsinstrumente sein, die es in der EU gibt: Die europäische Landwirtschaft soll nicht dem freien Spiel des Marktes ausgeliefert sein, sondern Ziele verfolgen, die wir in Europa selbst definieren und dies unter Bedingungen tun, die wir selbst festlegen. Mittlerweile gehören zu diesen Zielen auch die Entwicklung des ländlichen Raumes, die Sicherung der Lebensmittelqualität – Tierschutz wird übrigens unter diesem Ziel subsumiert – und der Schutz der Gesundheit, die Umweltpflege, die Erhaltung der Biodiversität sowie Klimaschutzmaßnahmen. Bedenkt man hierbei, um welche riesigen Summen es in diesem Bereich geht, könnte die GAP der europäische Zukunftsmotor schlechthin sein. Zwar ist der Anteil der GAP-Gelder bezogen auf den gesamten EU-Haushalt in den letzten Dekaden gesunken, macht aber mehr als ein Drittel des EU-Budgets aus, in ganzen Zahlen: 389 Milliarden Euro! Deutschland erhält davon in den sieben Jahren mehr als 43 Milliarden. Alle sieben Jahre erfolgt eine neue Ausrichtung und Anpassung an aktuelle Ereignisse. 

Das alte Problem der GAP: pauschale Subventionen statt Investitionen in die Zukunft 

Die Schwächen der GAP sind lange bekannt und werden von den NGOs und breiten Teilen der Wissenschaft immer wieder hervorgehoben: der weitaus größte Teil der GAP-Gelder wird lediglich für die Subventionierung bestehender Strukturen und von Landbesitz verwendet und nur ein kleiner Teil für die notwendigen Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit. 

Die GAP besteht aus zwei Säulen: Aus der ersten Säule kommen die jährlichen Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Betriebe, die sich an der Größe der Betriebe ausrichten, also je Hektar gezahlt werden (Flächenprämien). Diese Direktzahlungen waren einst das Mittel für die Einkommenssicherung in der Landwirtschaft, setzen aber falsche Investitionsanreize und behindern schon lange sichtbar die notwendige Transformation, weil sie für viele Akteure zum eigentlichen Ziel der GAP geworden sind. Notwendige Leistungen und Investitionen für mehr Nachhaltigkeit und Tierschutz werden hingegen über die wesentlich kleinere und deutlich unterfinanzierte zweite Säule belohnt (ca. 80 Prozent für die erste und 20 Prozent für die zweite Säule). Bislang wurden zwar über die erste Säule auch so genannte „Greening“-Maßnahmen zur Steigerung der Umweltverträglichkeit unterstützt, die Kriterien waren aber so niedrig und unbestimmt, dass auch dadurch nur der Status quo verstetigt wurde, dieses Instrument aber keine positive Lenkungswirkung entfaltete.

Klar ist, dass wir einen Umbau der Landwirtschaft und speziell der Tierhaltung benötigen, der Tiere als fühlende Wesen nicht nur auf dem Papier respektiert. Die GAP könnte genau die Brücke zwischen gesellschaftlichen Anforderungen und dem, was für Landwirt:innen in einem integrierten Weltmarkt möglich ist, schaffen. Deshalb bräuchten wir dringend einen echten Paradigmenwechsel der bisherigen europäischen Agrarpolitik. 

Die aktuellen Beschlüsse: neues Wording statt Neuausrichtung 

Die Notwendigkeit einer GAP-Reform hatte indes auch Bundesministerin Julia Klöckner immer wieder hervorgehoben. Im Zuge der deutschen Ratspräsidentschaft leitete sie die wichtigen  Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten. Sie sah in den Ergebnissen nicht weniger als einen „Aufbruch“ und einen „Systemwechsel“ und begründete diese Einschätzung mit Verweis auf die vermeintlichen Neuerungen. Das Problem des wirkungslosen Greenings soll nun über so genannte „Eco-Schemes“ gelöst werden, welche nach langwierigen Verhandlungen nun 25 Prozent der ersten Säule ausmachen sollen. Doch ob diese Eco-Schemes wirkungsvoller sind als das hellgrüne Greening, ist mehr als fraglich. Zwar sollen aus den Eco-Schemes explizit auch Tierschutzmaßnahmen finanziert werden können (das ist neu und darf hervorgehoben werden, weil Tierschutz in den GAP-Beschlüssen ansonsten nur eine marginale Rolle spielte), sind aber zum einen für die Betriebe freiwillig und zum anderen ohne großen Anreiz, weil eine mehrjährige Übergangsfrist vorgesehen ist. Unverbindlich sind sie auch dadurch, dass sie bewusst unkonkret gehalten sind und die konkrete Ausgestaltung den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen ist. Zwei Probleme sind aber noch gravierender: das Größenverhältnis von erster und zweiter Säule bleibt unberührt. Nachhaltige und mehrjährige Förderung kommt aus der zweiten Säule, aus der ersten Säule kommen hingegen einjährige Zahlungen – wie nachhaltig Projekte mit einjähriger Laufzeit sind, darf sicherlich gefragt werden. Um von einem „Aufbruch“ und „Systemwechsel“ sprechen zu können, müsste die Landwirtschaft einen langfristigen und verlässlichen Weg zu mehr Nachhaltigkeit beschreiten, in dem der prozentuale Anteil der Nachhaltigkeitsinvestitionen stetig bis auf 100 Prozent erhöht wird. Stattdessen stritten sich der Europäische Rat und das EU-Parlament darüber, ob Eco-Schemes 20 oder 30 Prozent der ersten Säule für die gesamten sieben Jahre ausmachen sollen.  

Wer verhandelt hat: der Trilog  

An den GAP-Verhandlungen waren die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EU-Rat beteiligt. Die Kommission hatte 2018 eine Position formuliert, die zwar noch keinen Systemwechsel darstellte, aber ambitionierter war als das, worauf sich dann jeweils Parlament und Rat geeinigt hatten und was jetzt die Grundlage des Kompromisses ausmacht. So hatte die Kommission gefordert, dass die Flächenzahlungen nur auf die Hektare bezogen werden dürfen, auf denen Eco-Schemes angewendet werden. Zudem hatte sie mit dem so genannten „Green Deal“, der „Farm to Fork-“ und der „Biodiversitätsstrategie“ einen Weg der Nachhaltigkeit für die EU aufgezeigt, der Hoffnung machen konnte. Doch dafür hätte die GAP explizit an diese Strategien gebunden werden müssen, wozu sich weder Parlament noch Rat durchringen konnten. Das „institutionelle Dreieck“ der EU war daraufhin in die gemeinsamen Abstimmungen, den sogenannten „Trilog“, gegangen, der nun zum Abschluss kam. Dass hier die besten Vorschläge aus allen drei Institutionen verbunden werden, war zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Formal möglich war zudem, dass sich die Kommission einem schwachen Kompromiss verweigert hätte und daraufhin einen neuen Legislativvorschlag hätte machen müssen, der dann noch stärker im Geiste des Green Deal verfasst werden könnte. Stattdessen orientierte man sich bei den Einigungen an den kleineren Nennern.  

Unser Fazit aus Tierschutz-Sicht  

Gemessen an dem, was zivilgesellschaftlich gefordert und in Umwelt-, Klima- und Tierschutz-Hinsicht nötig ist, ist das, was verhandelt und nun endgültig beschlossen wurde, niederschmetternd. Tierschutz spielt weiterhin nur eine marginale Rolle – wichtig wäre es gewesen, Tierschutzmaßnahmen durch einen festgelegten GAP-Anteil EU- weit verbindlich vorzuschreiben und die Zahlungen an hohe Tierschutzstandards zu koppeln. Stattdessen wird Tierschutz in der Landwirtschaft weiterhin in die Verantwortung der Mitgliedsstaaten abgewälzt, die die allgemeinen und unverbindlichen Vorgaben in so genannten nationalen Strategieplänen nun konkret umsetzen müssen. Zwar gibt es für Deutschland Pläne, durch spezielle Bonussysteme und Gemeinwohlprämien für Umwelt- und Tierschutzleistungen gezielte Anreize zu setzen. Doch da es keine ambitionierten EU-weiten Vorgaben gibt, wird Tierschutz wohl weiterhin nur als Wettbewerbsnachteil dargestellt und empfunden werden. Erneut ist eine riesige Chance vertan worden. 

Ludwig Krüger

Stand 2020