Sanfter Tod: Mobile Schlachtung

Die mobile Schlachtung wurde in Deutschland zuerst von Ernst Hermann Maier aus Balingen umgesetzt. Bereits seit 1995 werden die Rinder auf seinem Betrieb mit dem Kugelschuss auf der Weide betäubt und anschließend in einer extra dafür entwickelten mobilen Schlachtbox getötet. Erst danach erfolgt der Abtransport zum Schlachthof.

Der Vorgang wird in aller Ruhe und mit großer Sachkenntnis durchgeführt. Selbst der recht laute Schuss versetzt die Herde nicht in Panik. Die übrigen Rinder zeigen keine Angstreaktionen und fressen oftmals einfach weiter. Das betäubte Tier sackt unmittelbar zusammen. Da die Kugel des Gewehrs viel tiefer in den Schädel eindringen kann, als der Bolzen des Schussapparates im Schlachthof, ist die Betäubung durch den Kugelschuss sehr effektiv.

Betriebe mit artgerechter, ganzjähriger Weidehaltung berücksichtigen aus Respekt und Liebe zum Tier die Bedürfnisse der Rinder. In einer intakten Sozialstruktur leben männliche und weibliche Tiere im Herdenverband, schließen Freundschaften und dürfen ihre Kälber selbst säugen und aufziehen. Sie können ihren Bewegungsdrang ausleben und bekommen das am besten geeignete Futter, nämlich Gras. Doch am Ende ihres „Nutz“tierlebens steht auch ihnen der Abtransport zum Schlachthof bevor. Gerade für Weidetiere, die ganzjährig im Freien gehalten werden und keinen intensiven Kontakt zum Menschen haben, stellt dies eine fast unzumutbare Belastung dar. Selbst konventionell gehaltene Tiere, die Anbinden, Stallhaltung oder Melkstand gewöhnt sind, leiden unter großer Angst und erheblichem Stress auf dem Weg zum Schlachthof. Dies wurde bereits in vielen wissenschaftlichen Studien anhand gängiger Stressparameter, wie Cortisolwerten, nachgewiesen. Bei Langstreckentransporten kann dieser Wert um 60 Prozent erhöht sein und sogar bei Kurzstreckenfahrten unter 30 Minuten stark ansteigen.  

Die Ausschüttung von Stresshormonen löst eine Kaskade biochemischer Vorgänge aus,  die unmittelbaren negativen Einfluss auf die spätere Fleischqualität haben. Hierfür gibt es in der Fleischbranche sogar international gültige Standardbegriffe. Beim Schweinefleisch spricht man von PSE-Fleisch (Pale-Soft-Exudative, Blass-Weich-Wässrig), beim Rind von DFD-Fleisch (Dark-Firm-Dry, Dunkel-Zäh-Trocken).  Wenn wir an die Billigangebote aus dem Supermarkt denken, handelt es sich in der Regel um genau diese Art von Fleisch. Weiche, blassrosa Schnitzel mit hohem Wasseranteil, die in der Pfanne stark schrumpfen.

Ehrlicherweise muss erwähnt werden, dass nicht nur die ethischen Aspekte, sondern auch die enorme Qualitätssteigerung bei Fleisch aus mobilen Schlachtverfahren zum Durchbruch dieser Methode führten. Aus dem zunächst als Spinnerei abgetanen Projekt ist nun ein deutschlandweit akzeptiertes und hochgeschätztes Schlachtverfahren geworden, das immer mehr Zuspruch findet.   

Begrenzt wird diese Schlachtmethode allerdings durch die stark „ausgedünnte“ Struktur kleiner und mittelständischer Schlachtbetriebe und die Skepsis der zulassenden Behörden.  Das gesamte Verfahren unterliegt gesetzlichen Vorgaben, die viel Verhandlungsspielraum lassen. Zum Beispiel müssen der Ort für die Schussabgabe und die Schussrichtung genehmigt, bauliche Veränderungen eingeleitet oder die Verfügbarkeit des amtlichen Personals geplant werden. 

In manchen Bundesländern ist der Kugelschuss daher nur für nachweislich nicht fixierbare Tiere zugelassen. In anderen Bundesländern dürfen selbst Tiere, die ganzjährig im Stall gehalten werden auf dem heimischen Betrieb getötet werden. Dies liegt ganz im Ermessen der Zulassungsbehörde.

Optimal wäre die Einführung der mobilen Schlachtbox in allen regionaltätigen Schlachthöfen. Die Umsetzung des gesamten Verfahrens kann beim Schlachthofbetreiber angesiedelt sein. Er verfügt über sachkundiges Personal, ist versiert im Hygienemanagement und stellt die Rückverfolgbarkeit der Lebensmittelkette sicher.  Hierzu bedarf es allerdings klarer, verbindlicher und bundesweit geltender Leitfäden für Zulassungsbehörden, um faire Chancen, zügige Bearbeitung und positive Bescheide für alle Antragsteller zu gewährleisten.

Angela Dinter

18.04.2016

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