Kastenstand: BMEL versucht Rechtsbruch durch eine Verordnungsänderung zu legalisieren

Die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geplante Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung hebelt das Kastenstandurteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) aus. Der Satzteil, dass Sauen ihre Gliedmaßen ausstrecken dürfen müssen, soll schlichtweg gestrichen werden. Bis zu 17 Jahre sollen die Sauen weiter in zu engen Kastenständen fixiert werden dürfen. Und auch danach wird der Kastenstand nicht gänzlich abgeschafft, sondern lediglich die Zeiten in Deckzentrum und Abferkelbucht verkürzt. 

Berlin: Am 02.12.2019 tagt der Agrarausschuss des Bundesrats über die geplante Änderung der Nutztierhaltungsverordnung zum Kastenstand. Die Bundesländer dürfen dem jetzigen Entwurf auf keinen Fall zustimmen, denn er verstößt gegen das Verschlechterungsverbot und ist damit verfassungswidrig.

Fast die Hälfte des Jahres verbringen Sauen in Deutschland in der Regel fixiert in Kastenständen. Diese sind häufig viel zu eng, so dass die Tiere ihre Gliedmaßen nicht zu den Seiten ausstrecken können. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2015 sollte diesem Missstand ein Ende setzen. Es besagt, dass Kastenstände unverzüglich angepasst werden müssen, so dass die Sauen ihre Gliedmaßen ausstrecken können. Dieses sogenannte Kastenstands-Urteil wurde vom Bundesverwaltungsgericht im November 2016 in letzter Instanz bestätigt. 

Um dieses Gerichtsurteil zu umgehen, soll nun einfach die Nutztierhaltungsverordnung geändert werden. Der neue Satz in der Verordnung lautet demnach, dass „Kastenstände so beschaffen sein müssen, dass das Schwein ungehindert aufstehen, sich in Seitenlage hinlegen und den Kopf ausstrecken kann“. Der Satzteil, dass Sauen ihre Gliedmaßen ausstrecken dürfen müssen, wurde einfach gestrichen, um die zu engen Kastenstände zu legalisieren.

Zwar dürfen sie laut neuem Verordnungsentwurf nur noch wenige Tage statt mehrere Wochen im Kastenstand eingesperrt bleiben. Dies gilt aber erst nach einer Übergangsfrist von 15 und im Härtefall sogar 17 Jahren. Damit wird nicht nur verhindert, dass Sauen ungestört in Seitenlage ruhen können, sondern auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, keine weitere Übergangsfrist mehr einzuräumen, einfach ignoriert.

In einem gemeinsamen offenen Brief richtet sich PROVIEH mit über 20 Tier- und Umweltschutzverbänden gegen die geplante Neuregelung der Kastenstandhaltung, die dem Bundesrat derzeit zur Abstimmung vorliegt.

 „Anstatt die Schweinhaltung in Deutschland endlich nach den gesellschaftlichen Anforderungen umzubauen und den tierschutzwidrigen Kastenstand durch tierfreundlichere Systeme zu ersetzen, wird hier das Urteil von hohen Gerichten einfach ignoriert und ausgehebelt“, sagt Jasmin Zöllmer, PROVIEH-Fachreferentin für Agrarpolitik. 

Zukunftweisende und tiergerechte Agrarpolitik geht anders. Erst im September endete die europaweit größte Bürgerinitiative „End The Cage Age“.  Mit über 1.6 Millionen Unterschriften setzen EU-Bürger ein eindeutiges Signal: Sie fordern eine Nutztierhaltung, die jegliche Käfighaltung ausschließt. 

PROVIEH fordert den sofortigen Ausstieg aus dem Kastenstand. Wir kämpfen für eine artgemäße Tierhaltung, in der Muttersauen und andere Elterntiere ihren Nachwuchs angemessen umsorgen dürfen. Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis gibt es hierfür zur Genüge. Mit Beratung und Förderung sollten die Landwirte hier vom Bund bei der Umstellung unterstützt werden.

Hintergrund

Millionen von Muttersauen in Deutschland fristen ein qualvolles Leben, eingezwängt in enge Metallkäfige. Junge Sauen müssen bereits über vier Wochen lang im Kastenstand verbringen, nachdem sie besamt wurden. Kurz vor der Geburt werden sie wieder eingesperrt. Sie können nur bewegungslos stehen oder liegen und sich nicht einmal umdrehen. Natürliche Verhaltensweisen wie Nestbau ist nicht möglich. Verhaltensstörungen wie das Leerwühlen oder Stangenbeißen sind die Folge. 

Ein bahnbrechendes Urteil sollte diesem Missstand endlich ein Ende setzen. Das sogenannte Magdeburger Urteil vom 24. November 2015 schaffte Rechtssicherheit über die Auslegung von § 24 der Nutztierhaltungsverordnung. Dieser besagt, dass „Kastenstände so beschaffen sein müssen, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann“ und dass deshalb der Umbau der Kastenstände unverzüglich und ohne langjährige Fristen erfolgen muss. 

Ansprechpartnerin

Jasmin Zöllmer
Referentin für Agrarpolitik
Telefon: 0176 88471 854
Mail: zoellmer@provieh.de

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