Zu Besuch bei „Stolzen Kühen“

Die PROVIEH-Regionalgruppe Berlin besuchte im August 2016 den Ökohof „Stolze Kuh“ im brandenburgischen Odertal. Dort haben zwei Jungbauern allen Grund, auf ihre wertschätzende Arbeit mit einer kleinen Rinderherde stolz zu sein.

Zwei Bauern und 30 stolze Kühe

Stolze Kühe auf einer Wiede
© PROVIEH

Das ganze Jahr auf der Weide, Gras und Heu als Futter und Kälber, die Milch aus dem Euter trinken dürfen. Eine Tierhaltung, die das Wesen der Rinder achtet und die faulen Kompromisse der industriellen Milchviehhaltung nicht eingeht – das wollten wir einmal hautnah erleben. Also machten wir uns auf den Weg nach Lunow-Stolzenhagen.

Kurz vor der polnischen Grenze waren wir am Ziel und wurden auf dem Hof „Stolze Kuh“ von den jungen Landwirten Anja und Janusz mitsamt ihrem kleinen Sohn empfangen. Vor zwei Jahren hat das Ehepaar mit den ersten Kühen hier ihr mutiges Projekt begonnen. Im Gepäck: eine klare Vision und viele Helfer, ohne deren Hände der Traum schnell geplatzt wäre. Zum Hof gehören ein alter Stall und 100 Hektar Acker- und Weidefläche, die bewirtschaftet werden will. Dass dieses Landleben für eine junge Familie seine Tücken hat, dämmerte uns spätestens, als wir uns den Weg durch dorniges Geäst zum Kompost-Klo erkämpften. Man darf nicht zimperlich sein, wenn man es mitten in Deutschland, wo 4,3 Millionen Milchkühe ein trauriges kurzes Leben fristen, besser machen will. Zimperlich dürfen auch die Kühe nicht sein: Ganzjährige Weidehaltung heißt das Programm. Das gesunde Futter wächst auf den Nationalparkwiesen, im Winter gibt es Heu.

Gefährdete alte Rassen

Die alten Zweinutzungsrassen wie Angler Rotvieh oder Original Braunvieh sind robust genug für dieses naturnahe Leben. Die Rinder leben im sozialen Verbund, behalten ihre Hörner, und statt technischer Besamung kümmern sich die beiden Bullen Nino und Olpe ganz natürlich um neuen Nachwuchs. Während der langen Führung über Hof und Weiden fiel uns das entspannte Zusammensein der Tiere auf. Alles lief stressfrei ab, und wir waren erstaunt, dass die Kühe sich ganz von allein zum Melken versammelten. Über „Low Stress Stockmanship“, den stressreduzierten Umgang mit Rinderherden, bietet der Hof auch Seminare an.

Ammengebundene Aufzucht

Futterstelle mit glücklichen Kühen
© PROVIEH

Besonders interessierte uns die ammengebundene Kälberaufzucht. Die ersten Kälber, die wir kennenlernten, waren Hans und Hannah, gerade einen Monat alt. Da ihre Mutter Helma eine gute Amme ist, die sich – so erfuhren wir – ihre Aufgabe selbst ausgesucht hat, durfte auch Kalb Richie bei ihr trinken. Das Wesen der Kuh zu achten heißt hier auch: individuell zu entscheiden, welcher „Job“ jeder Kuh liegt. So nimmt die eine zu ihrem Kalb noch ein weiteres hinzu, die andere aber gibt es nach einer Woche des Säugens ab und liefert fortan Milch für den Menschen. Und was sagen die Kälbchen dazu? – „Die sind nicht wählerisch“, verrät Anja. „Wichtig ist die Entwöhnung in einem langsamen Prozess, der Mutterkuh und Kalb zunächst noch Kontakt ermöglicht.“

Aber wieviel Milch bleibt eigentlich zum Verkauf, wenn Kälber jederzeit trinken können? „Da ist noch Luft nach oben, das Futter muss besser werden“, erklärt Janusz. „Jährlich 4500 Liter pro Kuh sind ein guter Wert, die Methode zur Leistungssteigerung ist hier Grünlandpflege.“

Dann durften wir beim Melken mithelfen und stellten fest: Eine volle Milchkanne wiegt ordentlich, und die gesamte Milch von 24 Kühen in den Tank zu befördern, kommt einem Fitnessprogramm gleich. Die Milch wird als Heumilch über Demeter vertrieben, ein kleiner Teil roh ab Hof verkauft. Dort gibt es auch Wurst und Fleisch – biozertifiziert und naturbelassen. Künftig soll das Sortiment der handwerklich hergestellten Lebensmittel von den „Stolzen Kühen“ noch wachsen: In Planung ist eine eigene Käserei, die über ein Crowdfunding-Projekt realisiert wird.

Futterstelle mit Kühen auf einer Weide
© PROVIEH

Unser Patenkälbchen

Zum Abschluss unseres Besuchs lernten wir ein neugeborenes und noch namenloses Kälbchen kennen: Spontan wurden wir zum Paten des Minibullen und suchten den Namen Noah für ihn aus. Auf dem Heimweg nach Berlin spürten wir neuen Mut für die Aufklärungsarbeit gegen Qualhaltung und Agrarfabriken. Bei den „Stolzen Kühen“ konnten wir mit eigenen Augen sehen: Ja, es geht anders!

Kristin Faupel-Reichenbach, RG Berlin

„Mich hat persönlich die kraftvolle Überzeugung beeindruckt, welche Anja und Janusz ausstrahlten, als sie uns während der Führung von ihrem Hof erzählten. Ich empfand die Tiere als ungewöhnlich entspannt beim Melken, und es war faszinierend zu sehen, wie die Ammen es zuließen, dass andere Kälbchen trinken durften. Während der Erzählungen hat Anja fortwährend ihre Augen über die Tiere schweifen lassen, um wichtige Beobachtungen machen zu können – ich hatte den Eindruck, dass sie sehr bei den Tieren ist. Schön war es auch, Kühe aus so vielen verschiedenen Rassen nebeneinander zu sehen in ihrer wundervollen Unterschiedlichkeit.“

Sabine Himstedt, RG Berlin

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